Wally Lamb – Früh am Morgen beginnt die Nacht

Inhalt

Thomas Birdsey sieht sich in „Früh am Morgen beginnt die Nacht“ als „Werkzeug des Friedens“. Aus Verzweiflung trennt er sich in der Bibliothek eine Hand ab. Er wollte ein Zeichen setzen – und soll dafür eingesperrt werden. Dominick, sein eineiiger Zwillingsbruder, ist machtlos – wie schon sein ganzes Leben lang. Immer hatte er zu kämpfen: Mit seinem nicht vorhandenen Vater, dem gewalttätigen Ersatz, seiner schüchternen Mutter, seinem (zu) sanften Bruder. Er hat seine große Liebe verloren und auch gegenwärtig weiß Gott noch andere Probleme als seinen schizophrenen Bruder, dem seit jeher alle Aufmerksamkeit gilt. Jetzt ist allerdings der Zeitpunkt gekommen, an dem er sich seiner Vergangenheit stellen, sie aufarbeiten muss. Denn nur so kann er Thomas (und sich selbst) helfen…

Figuren

Dominick, der schon immer im Schatten seines völlig gegensätzlichen und kranken Bruders steht, bringt seine Geschichte in der Ich-Form an die Leserschaft. Er ist erwachsen, im besten Alter, und muss nun ab der Kindheit alles noch einmal beleuchten, so schmerzhaft es auch sein mag. Der nach außen hin „harte Kerl“ will eigentlich nur über seinen Zwilling sprechen – und steht doch plötzlich selbst im Fokus der Therapeutin. Er hat mir als Erzähler gefallen, macht eine unglaubliche Entwicklung durch, die ich gerne mitverfolgt habe. Auch wenn einiges flapsig geschrieben ist, kommt die Botschaft an. Es geht in dem Buch von Wally Lamb um so vieles: Kann man gleichzeitig lieben und hassen? Verjährt seelische Grausamkeit? Wie kann man die Wünsche anderer erfüllen, ohne sich selbst aus den Augen zu verlieren? Wann ist es an der Zeit zu vergeben? Wut, Trauer, Ängste, Selbstzweifel und Träume bestimmen diese großartige Story.

Nicht nur der Protagonist, auch die anderen Personen sind gut gezeichnet und überzeugen in ihren Rollen.

Dicker Schinken

„Früh am Morgen beginnt die Nacht“ ist mit fast 900 Seiten im Hardcover und über 1000 im Taschenbuch ein echt dicker Schinken. Dass mich ein so umfangreiches Buch derart fesselt, kommt selten vor. Ich habe mich auf keiner einzigen Seite gelangweilt, auch wenn mir die Anfänge des Großvaters, der seiner Familie ein schriftliches Vermächtnis in Form seiner sonderbaren Lebensbeichte hinterlassen hat, nicht so interessant erschienen wie der Rest. Diese „Geschichte in der Geschichte“ war mir anfangs nicht willkommen, gewinnt aber mit der Zeit ebenso an Spannung wie der Rest und fügt sich toll ein. Zumal am Ende sowieso alles ein gelungenes großes Ganzes ergibt.

Stil

Der Autor schreibt fesselnd und unterhaltsam, manches ist sehr merk- und fragwürdig, anderes äußerst locker, nie wird jedoch die Ernsthaftigkeit aus den Augen verloren. Es ist ein berührender Roman, ohne dass man gleich in Tränen ausbricht. Er hat mich erreicht, bewegt – nur eben nicht auf die rührselige Art und Weise. Wally Lamb zeigt mir, was er ausdrücken will. Ich konnte alles vor mir sehen, es fühlen. Großes Kino.

Das Ende mag manchen Leser*innen zu viel des Guten sein – ich bin begeistert davon!

Gebraucht

Mein aktueller Stand ist, dass das Buch schon jahrelang nur noch gebraucht, aber sehr günstig erhältlich ist.

Fazit

Super! Riesengroße Wälzer-Liebe!

5/5!

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Die Musik der Wale

Deine Meinung

3 Antworten

  1. Schön, dass es dir so gut gefallen hat. :-) Hach, wenn’s nicht so dick wäre, würde ich es glatt nochmal lesen.

    ABER noch besser ist „Die Musik der Wale“ von ihm. Besorg dir das unbedingt (gibt’s nur noch gebraucht). Das gehört definitiv zu den Top 10 Büchern aller Zeiten bei mir. :-)

  2. Von „Die Musik der Wale“ hab ich ein Trauma – als ich das mit 17 gelesen habe war ich für die Thematik zu jung, zu naiv, ich weiß es nicht. Mir jagt es jetzt noch einen Schauder über den Rücken wenn ich nur an das Buch denke…

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