„Der Beifahrer“ von Pascal Garnier, 1997 im Original erschienen, ist eine ausgefallene und düstere Geschichte, die eine ordentliche Portion trockenen Humor enthält.
Inhalt
Weil sein Vater den Dachboden entrümpeln und einige Dinge auf dem Flohmarkt verkaufen will, verbringt Fabien das Wochenende in Ferranville. Als er nach Paris zurückkehrt, erwarten ihn eine leere Wohnung und drei aufgezeichnete Anrufe. Die letzte Nachricht verrät ihm, wo Sylvie steckt: Sie hatte einen Autounfall in Dijon. Sie ist tot. Auf dem Beifahrersitz starb ein Mann namens Martial Arnoult – ihr Liebhaber. Im Leichenschauhaus sieht Fabian seine Witwe – und beginnt, ihr nachzuspionieren, um Rache zu nehmen.
Skurril
Ein Mittvierziger verliert seine Frau und erfährt dadurch, dass sie eine Affäre hatte. Sofort stelle ich mir einen gebrochenen Mann vor, einen trauernden Witwer. Aber in „Der Beifahrer“ erwartet mich Fabien Delorme. Er reagiert nicht erwartungsgemäß, auch wenn Trauer viele Gesichter und er bereits einige Verluste hinter sich hat (seine Mutter verließ die – nie intakte – Familie, als er fünf war).
Fabien ruft das Krankenhaus nicht sofort zurück, er stellt sich lieber nackt ans Fenster, raucht eine Zigarette und überlegt, was er als der andere Mensch, der er nun ist, anziehen soll. Und das ist eine schöne Einstimmung in diese Geschichte, denn keine der Figuren handelt so, wie man sich das vorstellt.
Ein perfider Plan
Fabien zieht vorübergehend bei seinem Kumpel Gilles ein.
"Er war nicht unfähig, allein zu leben, aber die Einsamkeit war für ihn nur in Begleitung denkbar."
(eBook S. 35/139, 25,3 %)
Zusammen verbringen sie die Tage im Bademantel und Lego spielend, bis es reicht: Er muss Martine finden, die Ehefrau des verstorbenen Liebhabers von Sylvie. Nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir“ will er sich an die Witwe ranmachen, schließlich hat deren Mann ihm seine Frau ausgepannt.
Ich werde wie immer nicht zu viel verraten, aber: Es geht alles zu glatt, zumindest jeweils auf einer Seite.
Wie er an die Adresse der Arnoults kommt, wie er von den zwei Frauen gerettet wird, zu denen er Kontakt aufnehmen will. Zwar steht Martine unter der Fuchtel einer scharfsinnigen Freundin, doch – was für ein Unglück und Zufall – die wird außer Gefecht gesetzt. Ich war verwundert, innerhalb der Geschichte niemand. Es war mir zu viel des Guten, passt aber in diese sowieso unglaubwürdige Story. Hier klingt es an: Dieses Buch ist nicht meins. Das liegt vor allem daran, dass ich es nicht ernst nehmen konnte. Die humorvolle Note unterstreicht, dass das auch nicht unbedingt gewollt ist. Es ist ein Roman noir, der unterhalten will, der irrwitzige Verhaltensweisen und Entwicklungen erlaubt, der keine Angst vor eigenwilligen Charakteren und der Anhäufung von Leichen hat. Das ist okay. Aber ich habe etwas anderes erwartet.
Aufbau/Anmerkungen
Die Geschichte wird auf 144 Seiten ohne Ich-Erzähler in knappen Sätzen und unter Einsatz von trockenem Humor erzählt. Große Gefühle werden nicht beschrieben, es herrscht ein sachlicher und lockerer Ton, die Toilette wird zum „Scheißhaus“ und dergleichen.
Interessant ist der Originaltitel: La Place du mort. Er hätte auch Siège Passager lauten können. Aber die Wahl fiel auf den Todessitz, was hier rundum passend erscheint: Die Insassen des Fahrzeugs kommen ums Leben. Und Fabien fährt kein Auto. Er ist der ewige Beifahrer (wenn er auch lieber in den Zug einsteigt) – und kommt innerhalb der Geschichte aus seiner „Opferrolle“ nie heraus, im Gegenteil: Das Ende betont sie sogar.
Zwar lässt sich „Der Beifahrer“ flott herunterlesen, allerdings bin ich oft an den nicht vorhandenen Leerzeichen vor dem Wort nach einem Satzzeichen hängengeblieben. In der Häufung ist das ärgerlich.
Und eine Anmerkung möchte ich zu dem (aktuellen) Text auf der Verlagsseite machen: Die Inhaltsangabe ist nicht richtig. Fabien bricht nicht mehrmals in die Wohnung ein. Und die Buchung der Reise lief in dem von mir gelesenen Buch auch anders ab. Wie kommt so etwas zustande?
Fazit
Die Charaktere sind fragwürdig und unsympathisch, ihre Reaktionen seltsam, die Rachepläne perfide. Die Dinge laufen allzu glatt – bis sie es nicht mehr tun. Ich mag lieber Geschichten, die ich ernst nehmen, in denen ich mit den Figuren fühlen kann. Insofern: nicht mein Buch.
Der Beifahrer – Pascal Garnier
Originaltitel: La Place du mort (1997)
Übersetzung: Felix Mayer
Verlag: Septime Verlag
Erschienen: 15.09.2023
Seiten: 144
ISBN: 978-3-99120-026-0
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