
Kristin Vallas „Ein Raum zum Schreiben“ ist ein Buch zwischen autobiografischem Roman (aber ohne emotionale Nähe) und Sachbuch (ohne Tiefe).
Inhalt
"Meine Kinder hatten jedes ein eigenes Zimmer, ich nicht."
Ein Raum zum Schreiben, eBook, Kap. Rückzug, S. 16, 5,9 %
Kristin Valla hat geheiratet, Kinder bekommen – und nun möchte sie endlich wieder einen Roman schreiben. Den Raum im Keller, in dem sie sich früher ausbreiten konnte, nutzt der Sohn zum Zocken – doch was ist mit ihr? Wo bleibt sie? Braucht sie zum Schreiben nicht eine Tür, die sie hinter sich schließen kann? Ein Zimmer, gar ein Haus für sich allein?
Ein Haus in Südfrankreich
Sie sucht – und sie findet. Sie ist 41 Jahre alt, als sie sich ihren Raum zurückerobert – in Form eines Hauses in Roquebrun im Südwesten Frankreichs. Doch es ist kein Traumhaus, es ist eine Schimmelbude, die so einige Enttäuschungen mit sich bringt. Davon erzählt Kristin Valla in „Ein Raum zum Schreiben“. Leider ist es nicht der intime Einblick, den man erwarten könnte. Sie schreibt distanziert, oft geht es lang und breit um die Baustelle, die das Haus von Anfang an war und ewig bleibt. Und es geht um andere Frauen, die ein Zimmer bekamen – oder: die sich eines nahmen.
Kreative Frauen
Der Text springt hin und her zwischen ihrer eigenen und der Geschichte berühmter Frauen, von denen mir einige etwas sagten (z. B. Agatha Christie, Virginia Woolf, Daphne du Maurier) und andere nicht. Oft kam es mir zusammengewürfelt vor, manchmal passte der Bezug.
Wir bekommen viele Namen und kurze Einblicke. Immer geht es darum, dass sie für ein Zimmer bzw. Anwesen kämpften – und dass sich das auszahlte.
Ich muss gestehen, dass es mir schwerfiel, eine Verbindung aufzubauen. Manches konnte ich nicht nachvollziehen. Und es sind zu viele Namen und Einschübe, ohne dass man den Personen näher kommt. Es fühlt sich gehetzt und oberflächlich an.
Auch die Autorin bleibt seltsam distanziert, obwohl sie uns auf ihre Reisen mitnimmt und von ihren tränenreichen Ausbrüchen erzählt. Ich konnte nicht mitfühlen, was ich schon bei ihrem Roman „Das Haus über dem Fjord“ bemängelte. Sie schreibt klar, eher nüchtern, neutral.
Schreiben = Handwerk
Kristin Valla erzählt über ein Dorf, das es wirklich gibt, über eine Zuflucht, die sie gewählt hat. Die Sanierungen kosten sie Nerven und Tränen, aber sie erschaffen etwas. Und das ist durchaus symbolisch zu betrachten, denn sie will die ganze Zeit nur eines: Schreiben. Doch sie ist blockiert, ihre Kreativität und deren Ausleben kränkeln, sie wurden angegriffen, verletzt, stehen nicht mehr auf sicheren, selbstbewussten Beinen. All das spiegelt sich im Zustand des Hauses wider: durch den Schimmel, die Fraßspuren, den wackligen Boden. Schreiben ist eben auch ein Handwerk, das manchmal Kopfschmerzen bereitet, ein Prozess, der durchlaufen werden muss und etwas ganz Eigenes hervorbringt. Dass sie also ausführlich über die Arbeiten im Haus schreibt, macht Sinn. Auch der Schreibprozess ist lang. Dennoch kam es mir nicht durchgängig interessant vor.
Das Ende – eine Erkenntnis
Zunächst war ich unzufrieden mit dem Verlauf. Die Gewichtung im Buch wirkt unausgewogen. Die Autorin schüttet uns zu mit Beispielen von Frauen, die sich einen Raum erkämpften und dort tatsächlich produktiver waren. Sie untermauert ihre These ein ums andere Mal, rechtfertigt den Kauf ihres Hauses mit Hilfe dieser Vorbilder, nur um am Ende – wenig überraschend – das Gegenteil anzudeuten. Das fühlt sich unrund an.
Letztlich ist es anders. Sie brauchte das Haus wirklich – aber nicht als physischen Ort.
War der Kauf nötig? Nein. Denn es hätte ausgereicht, wenn sie die Hand ausgestreckt und erneut den Kellerraum für sich beansprucht hätte. Doch sie musste erst Abstand gewinnen und anhand ihrer Erfahrungen weit vom Alltag entfernt sehen: Hey, ich kann ja eigene Entscheidungen treffen und mir den Raum nehmen, den ich brauche, was das auch immer für einer ist. Wir lesen den Weg dahin, beobachten ihre Entwicklung, die Freiheit, die sie hier kennenlernte, nämlich: Dinge anzugehen, sie zu hinterfragen, umzuwerfen.
Es ist also stimmig, wenn man näher hinschaut. Und es lässt sich nicht leugnen, dass das Werk widersprüchlich rüberkommt durch die Fokussierung auf etwas, das am Ende leise zu etwas anderem wird.
Fazit
„Ein Raum zum Schreiben“ konnte mich nicht komplett überzeugen. Es ist beides: autobiografischer Roman und Sachbuch, aber keines so richtig. Es ist sprunghaft und bleibt oberflächlich, ich hatte keine Chance, mich auf etwas oder jemanden einzulassen. Ich finde die thematische Auseinandersetzung damit, dass sich Frauen Räume erobern mussten (und immer noch müssen), interessant, die Umsetzung jedoch auf den ersten Blick weniger gelungen. Man sollte willens sein, die Eindrücke in eine positive Richtung auszulegen und den Inhalt symbolisch zu sehen. Das ändert aber nichts daran, dass sich der persönliche Teil zu distanziert liest und die literarischen Einblicke zu zahlreich sind. Es hätte mir besser gefallen, wenn sie sich auf zwei bis drei Frauen konzentriert und tiefer mit deren Bedürfnis nach einem Rückzugsort befasst hätte.
Zusammenfassung Ein Raum zum Schreiben – Kristin Valla
Dieses Buch ist für dich, wenn du
- keinen Schreibratgeber suchst, sondern etwas über kreative Frauen lesen möchtest, die sich durchsetzen
- mit vielen kurzen Einblicken in andere Leben klarkommst, keine durchgehende Handlung brauchst
- mit einem nüchternen Ton zurechtkommst und akzeptierst, dass ggf. dadurch keine Nähe entsteht

Ein Raum zum Schreiben – Kristin Valla
Originaltitel: Egne steder: Om skrivende kvinner, lidenskap og et lite hus på den franske landsbygda
Übersetzung: Gabriele Haefs
Verlag: mare
Erschienen: 20.03.2025
Seiten: 272
ISBN: 978-3-86648-737-6
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