Die falsche Zeugin – Karin Slaughter

Werbung, da Rezensionsexemplar

Inhalt

Kurz vor Prozessbeginn wird die Strafverteidigerin Leigh in „Die falsche Zeugin“ beauftragt, den Fall eines mutmaßlichen Vergewaltigers zu übernehmen. Sie weiß nicht, wieso er ausgerechnet sie engagieren will, sein Name sagt ihr nichts. Doch als sie ihm gegenübersitzt, um erste Details zu klären, wird klar, dass er nicht nur ihre Hilfe wegen des grausamen Sexualverbrechens will. Er will mehr. Es ist etwas Persönliches: Er will Rache.

Lob für den Klappentext!

Die obige Inhaltsangabe ist wie immer meine eigene, aber ich möchte unbedingt auch ein Lob für den Klappentext aussprechen. Ich hatte es in letzter Zeit viel zu oft, dass die Buchrückseite viel zu viel verraten und mir so den Spaß/die Spannung teilweise genommen hat. Es ist natürlich eine Geschmacksfrage, aber ich weiß lieber weniger als zu viel darüber, was in der Geschichte auf mich wartet. Und das ist hier absolut gelungen.

Sehr düster

Das Buch ist sehr düster. Es gibt viel Gewalt, es gibt gut vorstellbare Schilderungen, es geht brutal und blutig zu. Der Prolog aus dem Sommer 1998 war sehr unangenehm für mich. Es hat mich Überwindung gekostet, dranzubleiben. Auch in der Gegenwart warten detaillierte Beschreibungen der Folgen eines grausamen Sexualverbrechens, die sicher nicht für jeden leicht zu lesen sind. Allerdings handelt es sich um einen Thriller – und da ist damit zu rechnen. Trotzdem der Hinweis meinerseits: Es ist definitiv kein Buch für Leser*innen, die eher harmlose Geschichten bevorzugen. Es geht auch um Kindesmissbrauch, Drogenkonsum, Abhängigkeit usw. Es ist ein schonungsloses Buch, das nicht davor zurückschreckt, die Leserschaft durch anschauliche Einzelheiten zu erschüttern.

Achtung: Corona-Alarm!

Das Buch beinhaltet aktuelle Themen, so wird z.B. die „MeToo-Bewegung“ genannt und thematisch immer wieder eingebracht. Die Geschichte spielt im Frühjahr 2021 – und zwar nicht in irgendeinem fiktiven 2021, sondern im realen. Und so treffen wir unweigerlich auf das Thema Corona. Wir lesen von der Pandemie und den Maßnahmen, lesen, wie Masken auf- und abgesetzt, wie Hände desinfiziert werden. Wir lesen auch davon, dass Charaktere die Erkrankung – teilweise inklusive Intensivstation – durchgemacht haben. Es wird nicht lang und breit ausgeführt, aber es wird hier und da erwähnt. Das wird sicher nicht allen gefallen, denn manche lesen schließlich, um die Wirklichkeit/Dinge wie Corona auszublenden. Ich selbst hatte keine Probleme damit, fand es eher interessant, weil es das erste Buch ist, das ich gelesen habe, das diese Themen beinhaltet. Außerdem mag ich aktuelle und potenziell realitätsnahe Bücher allgemein sehr gern.

Charaktere

In der Hauptrolle finden wir die Anwältin Leigh, die von Andrew beauftragt und damit in die Vergangenheit katapultiert wird, die sie stets aus ihrem inzwischen erfolgreichen Leben herauszuhalten versucht hat. Ich muss gestehen, dass ich mit Leigh zunächst nicht warm geworden bin. Allerdings haben mir verschiedene Dinge ihres Lebens gefallen, mich teilweise sogar etwas berührt, zum Beispiel ihr (Ex-) Mann Walter oder die fragile Beziehung zu ihrer Tochter Maddy. Ihre emotionalen Kämpfe waren authentisch.

Leigh hat eine Schwester, die ebenfalls eine Hauptfigur darstellt: Callie. Im Gegensatz zu Leigh ist es Callie nicht gelungen, ihre Herkunft abzustreifen und ein geordnetes Leben zu führen. Callie hat immer wieder mit Drogen zu tun. Die Verbindung der beiden zueinander ist irgendetwas zwischen schwierig und unfassbar eng. Ich fand das Verhältnis der Schwestern toll dargestellt.

Andrew, der mutmaßliche Vergewaltiger, gegen den alle Fakten zu sprechen scheinen, ist ebenfalls lebendig gezeichnet. Ich hätte es echt gruselig gefunden, ihn in meiner Nähe zu wissen und konnte die unangenehmen Gefühle, die er in den Protagonistinnen ausgelöst hat, nachvollziehen.

Verlauf

Die Autorin hat es geschafft, dass mich das Buch nach dem fürchterlichen Kapitel über den Sommer vor 23 Jahren gepackt und bis zum Epilog nicht mehr losgelassen hat. Ich konnte nicht alles glaubhaft finden, das mir Karin Slaughter hier erzählen wollte. Aber im Großen und Ganzen war es ein spannender Thriller, der viele Überraschungen für mich bereithielt. Ich habe oft gedacht, die ganze Wahrheit erahnen zu können, ehe eine neue unerwartete Tatsache enthüllt wurde. Ich konnte mich dadurch nicht von dem Buch trennen, obwohl es manchmal hart zu lesen war.

Stil

„Die falsche Zeugin“ las sich flüssig und temporeich. Es ist ein rasantes Katz-und-Maus-Spiel, das ich gefesselt verfolgt habe. Die Spannung war spürbar und ließ nie so richtig nach.

Die Autorin lässt viele ihrer Charaktere sarkastisch auftreten. Auch mit vulgärer Sprache muss man in diesem Thriller vorliebnehmen. Ich bin kein Fan davon, aber es passt zu dem Milieu, das die Figuren geprägt hat, so dass ich nicht wirklich etwas dagegen sagen kann. Brutale und blutige Szenen werden so bildhaft beschrieben, dass sie nur schwer zu ertragen sind. Es gibt aber auch die leisen Töne, die durchaus zum Mitfühlen taugen.

Einzelband

Die Autorin hat mehrere Stand-alone-Bücher als auch Buchreihen geschrieben. Die Story aus „Die falsche Zeugin“ ist in sich abgeschlossen und gehört keiner von Slaughters Reihen an.

Fazit

Manchmal unschön zu lesen, weil es sehr düster, derb und schockierend ist. Als Thriller aber überzeugend: Spannend, temporeich und mit unvorhersehbaren Wendungen versehen.

4/5!

Die falsche Zeugin: Thriller

592 Seiten / ISBN: 9783749902194 / Übersetzung: Fred Kinzel


Deine Meinung

2 Antworten

    1. Hi, gute Frage, es gibt mehrere Möglichkeiten.

      Achtung, SPOILER:

      Leigh hat Callie geschützt, Sidney hat für Andrew gelogen, auch Linda wäre plausibel. Würde das Buch „Die falschen ZeuginNEN“ heißen, wäre es ebenso passend. Der Titel sorgt halt auch für Rätselraten und dafür, dass man die Anschuldigungen ggf. eher anzweifelt, so dass es spannender bleibt.

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