Anna Karenina – Leo Tolstoi

Inhalt

„Anna Karenina“ von Leo Tolstoi ist ein Werk aus dem Jahre 1877. Es geht darin um die namensgebende Protagonistin, die sich trotz der Tatsache, dass sie verheiratet ist, einem anderen Mann zuwendet. Doch wir verfolgen nicht nur ihr Schicksal, es gibt weitere Figuren, deren Geschichten fesseln.

Der Roman spielt in Russland – und zwar in den „besseren Kreisen“. Es geht um Traditionen, Sittenstrenge, Moral, Glaube, Rechte und Pflichten; um all die Schwierigkeiten, die die Liebe mit sich bringt: Eifersucht, unklare Verhältnisse – und die Frage, wieso man immer das will, was man nicht hat. Es geht um den Unterschied zwischen Vorstellung und Realität, darum, wie man von anderen gesehen wird – und wie wichtig das ist. Außerdem geht es um das Leben an sich, den Lebenssinn, um die Definition davon und die Suche danach – und um den Tod.

Drei Familien

In „Anna Karenina“ verfolgen wir das Schicksal von drei Familien:

Die Oblonskis

Die Geschichte startet mit den Oblonskis aus Moskau. Die Familie besteht aus Fürst Stepan Arkadjewitsch (33), genannt Stiwa, der immer auf der Suche nach einem guten Witz und der einen oder anderen Zerstreuung ist.

Stepan ist mit der ein Jahr jüngeren Darja Alexandrowna/Dolly verheiratet, hat mit ihr fünf lebende Kinder, was ihn nicht davon abhält, Dolly zu betrügen. Diese weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Sie liebt ihn ehrlich, kann ihm jedoch nicht verzeihen – muss es aber wegen der Kinder. Oder?

Die Karenins

Stiwas Schwester ist die schöne Anna Arkadjewna. Sie lebt mit ihrem Ehemann, dem höheren Beamten Alexei Alexandrowitsch Karenin, in Petersburg, hat mit ihm einen Sohn: den 8-jährigen Sergei. Als der Graf Alexei Kirillowitsch Wronski sie umgarnt, verliebt sie sich in ihn. Doch wie soll ihr Leben weitergehen? Wird sie alles verlieren? Ihren Sohn, ihren Ruf?

Ljewin

Konstantin Dmitrijewitsch Kosnüschew, genannt Ljewin, ist Landwirt. Er kennt Wronski, denn erstens ist Stepan ein gemeinsamer Bekannter, zweitens gilt Wronski als sein Nebenbuhler. Doch Ljewin will nicht Anna Karenina, die er anfangs gar nicht kennt. Ljewin will Katerina Alexandrowna Schtscherbazki, die Tochter einer Adelsfamilie, genannt Kitty. Sie ist die Schwägerin von Stepan. Kitty steht, so sieht es aus, zwischen zwei Männern – und kann nur die falsche Entscheidung treffen.

Mitreißender Wälzer

Mein vorheriger Beitrag ist Wochen her – hat mir „Anna Karenina“ den letzten Nerv geraubt, die Lesefreude genommen? Habe ich mich durchquälen müssen? Nein. Kein Stück. Irgendetwas Grippiges hat mich aus der Bahn geworfen – und so ganz habe ich noch nicht zurückgefunden. Aber meine Lust auf Bücher ist wieder da – und der Wiedereinstieg in die Geschichte, die mich schon mit ihrem bekannten ersten Satz kriegte, fiel mir leicht.

„Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich; aber jede unglückliche Familie ist auf ihre besondere Art unglücklich."
(S. 7)

Bei einem Werk dieses Umfangs erwartete ich einige Längen, letztlich waren es viel weniger als befürchtet. Tolstoi hat es geschafft, mich für alles zu interessieren, was vor sich ging. Keine der Figuren ließ mich kalt, alle waren gut vorstellbar und unterscheidbar beschrieben. Ich konnte mit ihnen fühlen, insbesondere hoffte ich mit und für Ljewin.

Die Stimmungsschwankungen sind nachvollziehbar, wenn es auf der einen Seite bergauf geht, zeichnet sich auf der anderen eine Katastrophe ab, Langeweile hat keine Chance. Ich war schwer angetan davon, wie mühelos die Emotionen bei mir ankamen und die Kapitel dahinflogen.

Manches schien belanglos, vieles bedeutungsschwer. Die Figuren und Beziehungen sind konträr, die Reaktionen fallen unterschiedlich aus (Männer dürfen Affären haben, Ehebrecherinnen werden geächtet) – diese Verschiedenheiten ergaben für mich einen perfekten Mix, der spannend und teilweise überraschend daherkam.

Aufbau/Stil

Der Gesellschaftsroman umfasst an die 1000 Seiten. Die Geschichte ist in acht Teile und mehrere Kapitel unterteilt.

Tolstois Schreibstil ist natürlich altmodisch, aber gut verständlich. Ich bin anfangs langsamer als gewohnt vorangekommen, doch das legte sich rasch. Die Wortwahl und die Details überzeugten mich. Ich habe mich wohl und gut unterhalten gefühlt inmitten dieser Story aus dem 19. Jahrhundert – und möchte mehr vom Autor lesen.

Es gibt einen allwissenden Erzähler, der wirklich allwissend und mitteilsam ist: Wir bekommen sogar Einblicke in die Gedanken von Laska, Ljewins Hündin, ohne dass es seltsam wirkt.

Es gibt mehrere Stellen, die man als Vorausdeutungen ansehen kann.

Verfilmung

Es existieren diverse Verfilmungen, beispielsweise mit Keira Knightley als Anna Karenina. Ich weiß nicht, ob mich der Film begeistern könnte, ich denke, ich würde Tolstois Worte vermissen, die die Geschichte zu etwas Besonderem gemacht haben.

Fazit

Die Charaktere sind gelungen, der Schreibstil überzeugt. Die Seitenzahl sollte nicht abschrecken – ich fand’s größtenteils großartig.

4,5/5!

Anna Karenina: Roman

 

Ein fesselnder Klassiker:

 

 

992 Seiten / ISBN: 978-3866474758 / Übersetzung: Hermann Röhl


 

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