Der Fluss der Erinnerung – Kelly Flanagan

Der Fluss der Erinnerung - Kelly Flanagan

„Der Fluss der Erinnerung“ ist eine berührende Geschichte, die zeigt, wie wichtig es ist, seine Vergangenheit aufzuarbeiten und sich zu offenbaren.

4.5/5

Werbung, da Rezensionsexemplar

Inhalt

"Die Vergangenheit liegt hinter uns, aber sie ist auch immer in uns."

Mit diesem Satz beginnt die Geschichte – und er kehrt im Verlauf mehrfach wieder, denn der Protagonist erkennt, wie wahr diese Worte sind.

Elijah Campbell, 39, steht vor den Scherben seines Lebens: Seine Ehe ist gescheitert, er steckt in einer Schreibblockade und Glaubenskrise, seine finanziellen Sorgen lassen sich nicht mehr leugnen. Ein wiederkehrender Albtraum führt ihn zurück in seine Heimatstadt Bradford’s Ferry – und er spürt, dass er die Fassade nicht länger aufrechterhalten kann, ohne alles zu verlieren, das ihm etwas bedeutet.

„The Unhiding of Elijah Campbell“

„Der Fluss der Erinnerung“ ist zweifellos ein passender Name für die Geschichte. Mir gefällt der Original-Titel, „The Unhiding of Elijah Campbell“, allerdings noch besser.

Der Protagonist, der Bücher über das innere Leben schreibt, hält das, was ihn bewegt, zurück. Manches bewusst, anderes nicht. Zwölf Jahre hat sich Rebecca, seine große Liebe, das angeschaut, dann packt sie ihren Koffer, nimmt die gemeinsame Tochter mit – und verlässt ihn. Doch seine Fassade besteht schon länger: Seit 23 Jahren bewahrt er ein Geheimnis, in das er unfreiwillig hineingezogen wurde. Auch das Verhältnis mit seiner Mutter hat er nie aufgearbeitet, obwohl er als Psychologe sicher das Zeug dazu hätte. Nun hat er keine Wahl mehr, er muss sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen, koste es, was es wolle.

"Wenn du es zum Beispiel aufgibst, um jeden Preis deine Geheimnisse zu bewahren - die, die du vor anderen, und die, die du vor dir selbst geheim gehalten hast -, dann gibst du gleichzeitig deinen Widerstand gegen Verlässlichkeit, Wahrheit, Ehrlichkeit, Authentizität und Verletzlichkeit auf."

Ein Roman mit Tiefgang

Kelly Flanagan, der Autor von „Der Fluss der Erinnerung“, ist klinischer Psychologe und hat bereits Sachbücher veröffentlicht. Ich glaube, dass er eine Botschaft vermitteln wollte – und um diese herum hat er die Geschichte geschrieben. Das kann klappen – oder auch nicht. Hier hat es – für mich – funktioniert. Denn die Story wirkt real. Sie liest sich natürlich, es kam mir nicht so vor, als hätte er Mühe gehabt, seine Message einzubauen. Ich habe mit Elijah gefühlt und gehofft, dass er einen Weg aus dem Widerstand und der Hoffnungslosigkeit findet. Dass dieser nicht einfach werden würde, war uns allen klar:

"In der Theorie klingt Wachstum großartig. In der Realität ist es oft ein Blutbad."

Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen, die es schaffen, sich auf das Buch einzulassen, zum Nachdenken gebracht werden. Über sich selbst. Andere. Oder beides.

„Christliche Inhalte“

Bevor ich mich entschlossen habe, das Buch zu lesen, bin ich auf folgende „Warnung“ gestoßen:

„BITTE BEACHTEN: Die SCM-Verlagsgruppe ist eine christliche Verlagsgruppe. Dieser Titel enthält christliche Inhalte.“

Und dann, das gebe ich zu, war ich abgeschreckt. Weil mir die Beschreibung aber so gut gefallen hat, hat mir der Roman keine Ruhe gelassen. Ein paar Tage später habe ich einen Blick in die Leseprobe geworfen – und sofort war klar, dass ich den Titel „trotzdem“ lesen muss.

Habe ich es bereut? Nein. Aber der Hinweis hat seine Berechtigung, nicht nur, weil der Protagonist Werke wie „Das Flüstern im Wind“ über das Hören auf die Stimme Gottes in uns schreibt oder Pater Lou ein wichtiger Charakter ist.

Aufbau/Stil oder: Warum ich dieses Buch so gerne gelesen habe

Um es kurz zu machen: Ich habe es geliebt, „Der Fluss der Erinnerung“ zu lesen.

Und jetzt die Langversion:

Ich bin, das dürfte sich herumgesprochen haben, ein Fan von Gefühlen. Und ich feiere Bücher, die sich damit befassen und mich berühren. „Der Fluss der Erinnerung“ ist derart feinfühlig geschrieben, dass ich nicht anders konnte, als hingerissen zu sein. Gleichzeitig ist es nicht schmalzig. Es ist hart und weich, süß und bitter, traurig und zum Schmunzeln.

Der Autor schreibt locker und bringt wichtige Botschaften rüber. Die Figuren sind authentisch, es war wunderbar, zu sehen, wie sie auf die Offenbarung des Protagonisten reagieren. Das Gespräch zwischen Elijah und seiner Mutter berührte mich, das Ende rund um seinen Schwiegervater und seine Frau/Tochter zauberte mir Tränen in die Augen.

Die Geschichte, erzählt in einem Prolog, 49 Kapiteln und einem Epilog, enthält keine Längen, kein Satz ist überflüssig, nicht einmal bei der Entstehungsgeschichte seiner Heimatstadt, obwohl ich mich gefragt habe, wieso sie so viel Platz einnimmt. Es wird immer wieder darauf Bezug genommen, alles hat seine Richtigkeit und wirkt gut überlegt.

Der Roman hat ein gutes Tempo und bietet Abwechslung. Ein Pageturner mit Gehalt.

Es gibt einige Metaphern und Denkanstöße. Und vor allem gibt es so viele schöne Sätze und treffende Formulierungen, die ich mir markieren musste. Diese Rezension enthält nur einen Bruchteil der Zitate, die ich mir angestrichen habe. Meine Favoriten lauten:

"Wenn wir erkennen, dass wir keine verbindliche Sicherheit brauchen - dass das Leben nicht richtig laufen muss, weil wir das Zeug dazu haben, Risiken und Gefahren und Verletzlichkeit und all die Momente auszuhalten, in denen es nicht rundläuft -, dann ist das wie ein Stück Himmel auf Erden."

"In diesem Moment kam mir der Gedanke, dass der Wunsch, einen anderen zu verstehen, vielleicht der reinste Ausdruck von Liebe ist."

Fazit

„Der Fluss der Erinnerung“ wird nicht jedem gefallen. Das ist okay. Ich schätze die Geschichte dafür umso mehr – vor allem für die feinfühlige Art, mit der sie erzählt wird.

Wer sich auf das Buch einlässt, findet sicher einige wertvolle Impulse.

Ich habe gelesen, dass Kelly Flanagan einen zweiten Roman geschrieben hat, der in Bradford’s Ferry spielt: „The Keeper of Crimes“. Sobald dieser veröffentlicht wird und in der Übersetzung erscheint, werde ich ihn lesen – dieses Mal ohne Zögern. 

Der Fluss der Erinnerung - Kelly Flanagan

Der Fluss der Erinnerung – Kelly Flanagan

Originaltitel: The Unhiding of Elijah Campbell (2022)

Übersetzung: Renate Hübsch

Verlag: Gerth Medien

Erschienen: Januar 2024

Seiten: 320

ISBN: 9783986950361

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Deine Meinung

9 Antworten

  1. Schöne Besprechung. Ich mag es auch, wenn Romane sich Gefühlen widmen und dann nicht ins Schmalzige abgleiten. Ich bin mir nicht sicher, ob das Buch wirklich etwas für mich ist, aber durch die Zitate scheint es ein Wohlfühlbuch zu sein, ein Text, der nahelegt, wie schön gelungene Gespräche sein können. Ich mag auch, dass du in deinen Besprechungen viele Zitate bringst. Das fehlt sonst oft. Danke und Viele Grüße!

    ps. warum muss ich mich immer erneut anmelden, wenn ich kommentiere :O

    1. Ich weiß nicht, ob ich es richtig einschätze, aber ich würde sagen: Das Buch ist eher nichts für dich. Ich glaube, es wäre dir „zu einfach“. Ich mag das zwischendurch sehr gerne, vor allem, wenn es mich wirklich berührt.

      Mit den Zitaten ist das so eine Sache. Ich bin da vorsichtig, obwohl ich selbst lieber Rezensionen mit vielen Zitaten mag. Ich sehe aber immer öfter Verlage, die auf ihrer Seite Angaben machen wie „1-3 Sätze sind erlaubt“ oder „bis zu X Wörter“ – und das ist dann leider sehr einschränkend.

      PS: Da muss ich mal schauen, ob ich ein Feld zur Speicherung einbauen kann.

      1. Ja, das speichern wäre schön. Ich bin da manchmal faul, wenn ich permanent alle Daten eingeben muss, nur um kurz was Nettes zu sagen. Aber ich kann ja auch meine Trägheit überwinden.

        Was? Zitate, die ausgewiesen sind, sind doch Werbung. Ja, gut, seitenweise Zitat verstehe ich. Wenn sich bei mir ein Verlag beschweren würde, wären sämtliche Bücher tabu für mich. Grotesk … die Vorstellung. Zitate geben doch einen guten Eindruck. Ich mag, wie du sie einstreust.

  2. Finde ich interessant, dass es eine Art Triggerwarnung für christliche Bücher gibt.
    Schön, dass dich das Buch so begeistert hat.
    Ich bin mir nicht sicher, dass es was für mich wäre – gerade wo ich mich schlecht konzentrieren kann. Aber ich mag es, wenn jemand so begeistert von einem Buch abseits des Mainstreams ist.

    Liebe Grüsse

    1. Ja – genau deshalb war ich abgeschreckt: Ich habe so eine „Warnung“ zuvor noch nie gesehen. Aber mich haben die „christlichen Inhalte“ zum Glück nicht gestört. Das Buch hat mich sehr berührt – und tatsächlich begeistert. :)

      Liebe Grüße

  3. Hallöchen :)
    Mir sagte das Buch bisher nichts, aber man kann deiner Rezension gut entnehmen, wie begeistert und berührt du gewesen bist, das ist echt toll. Wenn einen eine Geschichte verzaubert, zum Nachdenken bringt und einfach was anstößt, was nachklingt, dann kann das manchmal alles sein, was man braucht. Die Zitate klingen für mich, als würden wichtige Botschaften transportiert werden! Trotzdem bin ich noch etwas unschlüssig, ob es jetzt wirklich mein Buch wäre.
    Interessant finde ich auch die Triggerwarnung, das hatte ich in der Form bzw. zu dem Themenbereich auch noch nicht.
    Liebe Grüße,
    Dana

    1. Ja, es hat mich tatsächlich sehr berührt. Ich glaube aber auch nicht, dass das Buch für alle interessant ist. Ich habe es wahrscheinlich zum richtigen Zeitpunkt gelesen. :)

      Liebe Grüße

      1. Das ist ja aber mit vielen Geschichten so, man muss sie zum richtigen Zeitpunkt lesen und offen dafür sein, sich darauf einzulassen. :) Und wenn es bei dir gepasst hat, ist es doch super.
        Ich hab das Buch bisher auch noch gar nicht so groß weiter gesehen bei anderen und weiß daher nicht, wie die Meinungen rundrum so sind.

        1. Das stimmt, man muss eine Geschichte zum richtigen Zeitpunkt lesen, da stimme ich dir zu.

          Ich habe bisher auch nichts weiter gehört von dem Roman, es ist eher ein Geheimtipp für alle, die sich auf ein Buch wie dieses einlassen können und wollen. :)

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