Die Geschichten in uns – Benedict Wells

Die Geschichten in uns - Benedict Wells

Mit „Die Geschichten in uns“ hat Benedict Wells ein ermutigendes Sachbuch für alle geschrieben, die schreiben, ihre Versuche in die Tonne treten oder verstehen wollen, wieso sie so gerne lesen.

4/5

Werbung, da Rezensionsexemplar

Inhalt

Benedict Wells hat über das nachgedacht, das er sonst intuitiv tut. Weil er sich eine Pause von der Arbeit an fiktiven Geschichten nehmen und nichts Neues schreiben wollte, ist ein Sachbuch entstanden. So ist das mit Plänen rund ums Schreiben: Sie funktionieren nicht. 

„Die Geschichten in uns“ ist für dich, wenn du schreiben, aufgeben oder mehr über den Autor und seine Romane erfahren willst.

Erbauend

Wenn ich ein Buch über das Schreiben sehe, gehört es mir. „Das Leben und das Schreiben“ von Stephen King, den Klassiker von Sol Stein, die Sachbücher von Elizabeth George und James N. Frey, das vergriffene „Beim Schreiben allein“ von Joyce Carol Oates, diverse Creative-Writing-Ratgeber – ich habe sie alle. Dazu gesellt sich „Die Geschichten in uns“ von Benedict Wells. Er musste sich der Konkurrenz in meinem Bücherregal stellen – und konnte mithalten, mich als Motivator sogar am stärksten überzeugen.

Er romantisiert das Schreiben nicht, offenbart eigene Anlaufschwierigkeiten und Fehler, deklariert diese (teils) als peinlich – und gleichzeitig normal. Über seine Versuche sagt er Sätze wie diesen, der mich zum Lachen bringt:

"Tatsächlich war dieser Text so schlecht und durchzogen von Teenage-Weinerlichkeit, dass man mich heute damit erpressen könnte."

Es tut mir leid, den Großteil nehme ich ernst, sehr sogar, denn vieles kann ich nachfühlen.

„Die Geschichten in uns“ ist ein Buch, das sich wie ein heiteres Gespräch auf Augenhöhe liest, aber so anspornt wie ein Trainer, dessen Erfolg davon abhängt, dass wir dranbleiben und nicht hinschmeißen.

Persönlich

Ich fand den zitierten Satz so gut. Nein, er ist kein poetischer Liebling, aber er ist, so witzig er klingt, ein aufrichtiges Statement. Und davon gibt es in diesem Buch sehr viele.

Wells verrät, wie der Titel zu Hard Land entstand, wie er den Anstoß für den Roman gab. Alle mit der Frage, weshalb die Story in den USA spielt (gerne in Form aufgebrachter Kritik in Rezensionen gestellt), finden hier die simple Antwort.

Am Ende von „Die Geschichten in uns“ korrigiert Wells eigene Texte. Er wirkt nahbar, wie das Gegenteil eines aufgeblasenen Schriftstellers. Über und von solchen Personen lese ich am liebsten.

Dass Wells einen Einblick in seine Kindheit gibt, obwohl es ihm schwerfällt, habe ich sehr geschätzt. 

Für alle, die schreiben, aufgeben oder verstehen wollen, wieso sie so gerne lesen

Wenn du dich irgendwo zwischen deinem ersten Versuch und dem Moment befindest, in dem du kapitulieren willst: Ich glaube, dass viel Hilfreiches für dich in diesem Buch steckt. Wenn es eines kann, dann Mut machen.

Es gibt so viele Ratgeber über das Schreiben, dass man alles schon einmal gehört haben könnte. Aber manchmal braucht es andere Worte, damit der Inhalt ankommt – vielleicht gerade diese hier.

"Ein Text ist nie mehr als ein schwarz-weißer Architekturplan, die Gebäude errichten die Menschen, die ihn lesen. Sie füllen das Weiße zwischen den Zeilen mit Farbe und erschaffen sich ihre eigenen Werke."

Ich verschlinge Schreibratgeber, ohne ernsthafte Absichten zu haben. Bücher sind seit jeher mein Ding und Themen wie das Schreiben interessieren mich. Aber warum? Was gibt mir das Lesen? Ich habe selten darüber nachgedacht, die eine oder andere Antwort hätte ich auf Lager. Benedict Wells hat allerdings Sätze in sein Buch gepackt, die mich zum Nachdenken gebracht und mir ein paar neue Ideen verschafft haben.

Aufbau/Stil

Wie entsteht ein Roman, wie überarbeitet man seine Geschichte? Wie findet man die richtige Sprache und Perspektive, einen fesselnden Einstieg und setzt sinnvolle Schnitte? Wie entwirft man stimmige Charaktere zum Mitfiebern – und bringt sie so an die Leserschaft, wie sie in unserem Kopf sind? Was macht unterhaltsame Dialoge aus? Wie wird Spannung erzeugt? All diese Fragen werden knapp beantwortet. Es geht um die Schwierigkeit des Einfachen und das Wieso des Endes.

Wells spricht uns alle an, nutzt den Gender-Doppelpunkt. Er schreibt ehrlich, lustig und ernst, nie von oben herab. Sein kumpelhafter Ton macht es leicht, über seine Erfahrungen, die er nie als einzige Wahrheit darstellt, nachzudenken und Passendes aus seiner Werkstatt mitzunehmen. Er gibt keinen Weg vor und behauptet nie, mehr zu wissen als andere Schreibende, über die er interessante Fakten liefert (Berufe und Antriebe). Er nennt außerdem lesenswerte Werke (an drei davon konnte ich nicht vorbeilesen, obwohl meine Liste wahrlich lang genug ist, herzlichen Dank).

Die Auswahl der eingestreuten Zitate gefiel mir, das von Alexander Kluge berührte mich.

Dass Wells ein Fan von Fußnoten ist, akzeptiere ich. Ich mag sie nicht, schon gar nicht in diesem Ausmaß, aber sie enthalten viel Persönliches, sodass ich nichts weiter gegen sie sagen kann.

Fazit

Dieses Buch sollte ein Text für Wells Homepage werden. Ein Glück, dass Pläne rund um das Schreiben selten funktionieren, denn „Die Geschichten in uns“, dieser tröstliche Motivator, macht sich gut zwischen den anderen Werken dieser Art.

Die Geschichten in uns - Benedict Wells

Die Geschichten in uns – Benedict Wells

Verlag: Diogenes

Erschienen: 24.07.2024

eBook: 23.10.2024
(wg. sperriger Entscheidung des Autors)

Seiten: 400

ISBN: 978-3-257-07314-0

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Deine Meinung

4 Antworten

  1. Eine ganz wunderbare Rezension, die ich jetzt schon unterschreibe, obwohl ich erst bei der Hälfte bin. Die persönlichen Geschichten berühren mich und die Werkstatt finde ich absolut klasse. Ich fühle mich dadurch auch sehr motiviert. Gerade, weil ich nun weiß, es geht nicht nur mir so! Ich hatte manchmal das Gefühl, dass Benedict Wells mir zugesehen hat.
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
    Marie

  2. Liebe Jessica, ich habe das Buch gerade vom Verlag angefordert und bin nun sehr sehr gespannt. Ich glaube Deine stichhaltigen und super aufgeführten Aspekte in der Rezension sind kaum zu toppen . Du investierst soviel Engagement und Herzblut für das Lesen. Es macht richtig Spaß bei dir zu stöbern ! Warum war ich nicht schon eher auf Deiner Seite ? LG Angela

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