„Ein Ort für immer“ war für mich nicht die spannende Familiengeschichte mit Krimianteil, Herzenswärme und Witz, die ich erwartete. Ich hatte mit den Figuren zu kämpfen, zu denen ich keine Verbindung aufbauen und deren Handlungen ich nicht glauben konnte.
Inhalt
Carol Crottie und Declan Barry hatten keinen guten Start: Sie war die Lehrerin seiner Kinder, ihm ist die Frau davongelaufen, auch der Altersunterschied ist den Bewohnern von Ballytoor ein Dorn im Auge. Dennoch leben sie glücklich in seinem Haus in der vornehmen Stable Row – bis er erkrankt. Killian und Sally stecken ihn ins Pflegeheim – und setzen Carol vor die Tür. Die 48-Jährige zieht bei ihren Eltern Moira und Dave ein, das Haus, das Declan nie verkaufen wollte, wird inseriert. Da die Crotties nicht tatenlos zusehen wollen, wie die Barry-Kinder mit ihrer Tochter umspringen, kaufen sie Carol die Nummer 7 – eine Investition, die einige Überraschungen mit sich bringt.
Familiengeschichte und Krimi
„Ein Ort für immer“ ist die in Irland spielende Geschichte von Carol. Wir erfahren, dass sie zunächst mit Alex zusammen war, einen Sohn bekam: Craig. Letztlich lernte die Lehrerin Declan kennen, gab seiner Tochter entgegen ihren Vorsätzen Privatunterricht. Sie wurden ein Paar und lebten in einem der sieben edlen Häuser der Stable Row. Und dann kommt der Aufreger: Declan erkrankt, seine Kinder schieben ihn ab – und werfen sie raus. Bis hierhin ist es immer noch „nur“ eine Familiengeschichte, doch der Roman hält auch eine Krimihandlung bereit. Nachdem ich vier Bücher angelesen und abgebrochen habe, war das für mich ein Anreiz, zumal ich den Kurzkrimi „Der Schwimmer“ von Graham Norton kannte, der mich zwar nicht wirklich überzeugte, sich aber flott wegelesen ließ. So etwas brauchte ich. Tatsächlich habe ich „Ein Ort für immer“ beendet – zufrieden bin dennoch ich nicht.
Beschreibend, keine Vertrautheit aufbauend
Ich habe Spannung erwartet. Zudem spricht der Verlag von Herzenswärme und Witz. Tja, ich weiß nicht. Bei mir kam davon nicht viel an.
Starten wir bei den Charakteren:
Einmal heißt es: „Wann war sie zu diesem passiven Kloß geworden, der die Dinge einfach geschehen ließ?“ (eBook, S. 111/349, 31,6 %) Ja, gute Frage, Carol. Warst du jemals anders? Ich weiß es nicht. Ich kann sie schlecht einschätzen, aber sie ist als 48-Jährige so nervtötend naiv, dass ich sie nicht ernst nehmen konnte. Auch ihre „Mammy“ Moira ist wenig glaubhaft. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie „echt“ sein könnten. Womöglich soll das einen Teil der Komik ausmachen?
Ein Problem, das meine Schwierigkeiten verstärkt:
Der Autor beschreibt viel – und zwar eher oberflächlich und sachlich. Ich habe den Text flott heruntergelesen, aber nichts gespürt dabei. Ich konnte nicht mit Carol fühlen, was sehr schade ist. Oft erschienen mir die Reaktionen nicht authentisch. Die gesamte Krimihandlung, die sich im Heute abspielt, macht für mich wenig Sinn (und soll vermutlich auch nicht ernst genommen werden). Kurzum: Ich hätte mir mehr Glaubwürdigkeit gewünscht.
Verschiedene Perspektiven
Wir bekommen in den ca. 50 Kapiteln einen Einblick in Carols Leben, aber auch in die Gedanken von Sally und Killian. Dagegen habe ich nichts, allerdings habe ich nicht den Eindruck gewonnen, dass das für die Geschichte vorteilhaft ist. Weder zu der Protagonistin noch zu Declans Kindern konnte ich eine Verbindung aufbauen.
Mit Twist
Zunächst geht es in die Richtung, die ich erwartete – aber glücklicherweise nicht komplett. Ich glaube, dann hätte ich in der Mitte aufgegeben. Nein, es gibt die eine oder andere (mehr oder weniger) überraschende Wendung, das muss gesagt und anerkannt werden.
Störende Ungenauigkeiten
Wie immer: Ich habe nichts gegen Fehler, die machen wir alle. Aber in einem Buch möchte ich nicht ständig daran hängenbleiben. Nehmen wir diesen Satz: „Sie zeugt auf das Bett.“ (S. 77, 22 %) Und auf derselben Seite, nur wenige Wörter danach: „Wie konnte diese beiden es wagen, sie derart zu demütigen?“ Schwierig. Und das sind lange nicht die einzigen Stolpersteine.
Fazit
Eine Story über verschiedene Mutter-Kind-Beziehungen, störrische Männer, alte Geheimnisse – und die Folgen davon.
Ich bin schnell durchgekommen, ansonsten hat mir „Ein Ort für immer“ leider wenig gegeben.
Zusammenfassung Ein Ort für immer von Graham Norton
Dieses Buch ist für dich, wenn du
- eine Familiengeschichte mit (cozy) Krimianteil und Geheimnissen lesen möchtest
- mit einer naiven Protagonistin und anderen wenig glaubhaften Figuren klarkommst
- etwas mit einem sehr beschreibenden Schreibstil anfangen kannst
Ein Ort für immer – Graham Norton
Originaltitel: Forever Home (2022)
Übersetzung: Silke Jellinghaus
Verlag: Rowohlt, Kindler
Erschienen: 16.04.2024
Seiten: 384
ISBN: 978-3-463-00048-0
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2 Antworten
Ich denke, bezugnehmend auf die Typos, es gibt heute kein Lektorat mehr, weder inhaltlich noch stilistisch oder orthographisch. Machen Wörter Sinn, findet die Autokorrektur sie nicht, und das war’s. Auf Sinn wird schon gar nicht mehr gelesen. Beim Lesen deiner Rezension, Danke dafür :), habe ich mir die Frage gestellt, ob du vielleicht Vorschläge hast, wie er die Figuren inszenieren hätte sollen – was genau hat zur Immersion gefehlt, die Sprache, das Eintauchen. Ich frage mich so etwas gern, habe auch oft keine Antwort darauf. Viele Grüße
Ach je, das hört sich wirklich nicht nach guter Unterhaltung an. Cozy Crime ist irgendwie auch nicht so meins. Ich wollte ja immer mal was von Graham Norton lesen, aber das hier wird es wohl nicht.
Danke für die Rezension :)
Liebe Grüße
Marie