Hinter der Tür – Magda Szabó

Hinter der Tür - Magda Szabó

In „Hinter der Tür“ erzählt uns Magda Szabó von ihrer einstigen Haushälterin Emerenc, die im Leben oft enttäuscht wurde und nicht mehr bereit war, irgendjemandem Macht einzuräumen.
Keine entspannte Wohlfühllektüre, aber sprachlich überzeugend, fesselnd, eindringlich.

4/5

Inhalt

Nie kommt man bei ihr weiter als bis in den Vorraum vor ihrer Wohnung, doch die Schriftstellerin, für die sie mehr als zwanzig Jahre lang als Haushaltshilfe arbeitet, schließt Emerenc Szeredás in ihr Herz. Ihre Zuneigung drückt sie auf befremdliche Weise aus, dennoch hat sie nicht nur „ihre Herrschaft“ in der Hand; alle Menschen und Tiere respektieren sie. Als sie schwer erkrankt und ihren vielen Putzstellen nicht mehr nachgehen kann, trifft die Nachbarschaft eine schwerwiegende Entscheidung.

Autobiografisch

„Hinter der Tür“ ist ein autobiografischer Roman der ungarischen Schriftstellerin Magda Szabó. Das Buch kann als eine Art Trauerbewältigung gelesen werden. Oder, wie sie es im ersten Kapitel ausdrückt: eine Einzelbeichte, eine Rechtfertigung für das, was am Ende enthüllt wird:

"Ich bin schuld an Emerencens Tod. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß ich sie nicht umbringen, sondern retten wollte."

Emerenc Szeredás

Emerenc ist als Hausmeisterin und Putzfrau tätig. Aufgrund ihres tadellosen Rufes kann sie es sich leisten, nur die Stellen anzunehmen, die sie nach Prüfung für würdig befindet. Auf das zugezogene Schriftsteller-Paar trifft das zu, auch wenn sie auf deren Beruf herabschaut. Während sie Tibor – der Herrschaft – gegenüber stets förmlich auftritt, gerät die alte Frau, die seit ihrem 13. Lebensjahr als Dienstmädchen in Budapest angestellt ist, mit der Erzählerin aneinander. Sie, immer in gestärkten Kitteln und mit Kopftuch unterwegs, gibt sich unnahbar, entwickelt jedoch gleichzeitig eine Sympathie für Magda, die sich für diese höchst seltsam äußert:

"Heute weiß ich, was mir damals noch nicht klar war, daß man Zuneigung nicht halbherzig, maßvoll und rational zeigen und daß ich niemandem die Form dafür vorschreiben kann."

In ihre Wohnung lässt sie niemanden, nicht einmal ihren Verwandten, was Rätsel aufgibt und Interpretationen zulässt. Ihre Meinung spricht sie unverblümt aus. Den Hund der Erzählerin, einen Rüden, den sie auf den Namen Viola tauft, schätzt und schlägt sie gleichzeitig. Mehrere Anzeigen hat sie am Hals: Sie soll Tauben getötet, Leichen geschändet und politische Verleumdungen vom Stapel gelassen haben. Wer ist sie wirklich, was verbirgt sie in ihren eigenen vier Wänden?

Dass sie die Protagonistin des Buches ist, steht außer Frage, Magda, deren Name kaum je Erwähnung findet, die Intellektuelle und Privilegierte der beiden, verliert auf den ersten Blick jedes der vielen Kräftemessen haushoch. Wie kann sie beteiligt sein am Tod der teils gefürchteten und doch so geschätzten Frau aus Nádori/Csabadul?

Seltsamerweise fesselnd

Wir lesen von der Schriftstellerin, die sich Vorwürfe macht. Sie fängt am Anfang an, an dem Tag, an dem sie zum ersten Mal auf Emerenc trifft, und endet am Schluss, der die Wahrheit über den Tod der fleißigen Haushaltshilfe, die nach Schätzung Magdas um 1905 geboren wurde, offenlegt. Die Geschichte umspannt über zwanzig Jahre. Was ist so interessant an der alten Frau, die alles in Ordnung, aber auch jeden auf Distanz hält?
Ich denke, es liegt an dem großen Geheimnis um Emerencens Persönlichkeit, dass ich das Buch nicht weglegen konnte. Den kleinsten Hinweis darauf, wer die eigensinnige Frau ist, habe ich mit Freude gelesen. Was hat sie in der Kindheit erlebt, was bringt sie zum Weinen (es gibt ein einziges Schluchzen, von dem die Erzählerin zu berichten weiß), was ist ihr wichtig? Warum stößt ihr das Thema Macht so auf? Ich wollte alles wissen.
Es ist die Ehrlichkeit der Autorin, mit der sie sich selbst in ihren Zeilen betrachtet. Und es ist der Schreibstil, der ohne viele Adjektive auskommt, edel und durchdacht wirkt. Er sorgt dafür, dass der eher ereignisarme Roman bis zum Schluss unterhält – nicht zuletzt durch die unheimliche Note, die Magda Szabó ihm verleiht.

Aufbau

Eingerahmt wird die Geschichte, die in überschriebene Kapitel unterteilt ist, von dem Traum der Ich-Erzählerin, denn so fängt das Buch an, so endet es.

Der autobiografische Roman liest sich keineswegs wie ein langweiliger Bericht, es ist eine etwas skurrile, stellenweise witzige, insgesamt tragische Story, die in den 1960ern startet. Ich glaube, dass es eine Portion Empathie braucht, um das Buch zu schätzen. Die Charaktere sind nicht besonders sympathisch, aber wenn man sie und ihre Hintergründe/Erlebnisse betrachtet, kann man sie und ihre Handlungen in „Hinter der Tür“ verstehen. Emerenc hat viel gesehen, mehr als einmal selbstlos und herzensgut gehandelt. Das geht in den beschriebenen Teilen, insbesondere in den Szenen mit Viola, die ich ungern gelesen habe, oft unter.

Die 311 Seiten sind in kleiner Schrift und eng bedruckt, ich habe eine Weile gebraucht, um durchzukommen, und frage mich, ob das Ganze ein wenig zu lang geraten ist. Nichtsdestotrotz mochte ich die 2012 verfilmte Geschichte über die Komplexität menschlicher Beziehungen, Verletzlichkeit, Stolz, Anstand und Rücksichtnahme sehr.

Fazit

In „Hinter der Tür“ erzählt uns Magda Szabó von ihrer einstigen Haushälterin Emerenc, die im Leben oft enttäuscht wurde und nicht mehr bereit war, irgendjemandem Macht einzuräumen. Keine entspannte Wohlfühllektüre, aber sprachlich überzeugend, fesselnd, eindringlich.

Hinter der Tür - Magda Szabó

Hinter der Tür – Magda Szabó

Originaltitel: Az ajtó (1987)

Übersetzung: Hans-Henning Paetzke

Nachwort: Eva Haldimann

Verlag: Suhrkamp

Erschienen: 02.04.2012

Seiten: 311

ISBN: 978-3-518-46289-8

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