„Maifliegenzeit“ ist eine gut erzählte Geschichte über ein erschütterndes Thema, von dem ich nicht wusste, dass es in der Welt ist.
Inhalt
Fünf – wie es scheint: ausschließlich – heitere Jahre liegen hinter Katrin und Hans, als sie 1978 schwanger wird, einen Sohn bekommt: Daniel. Statt der glücklichen Familie erleben sie die Hölle: Der Säugling soll auf der Fahrt ins Kinderkrankenhaus verstorben sein. Katrin ist überzeugt davon, dass das nicht stimmt, während Hans versucht, den Schicksalsschlag zu überwinden. Die Ehe zerbricht.
40 Jahre später, Katrin ist bereits an Krebs gestorben, bekommt Hans die Nachricht, dass jemand für ihn angerufen hat: Daniel. Sein Sohn.
Vorgetäuschter Säuglingstod in der DDR
Daniel wurde für tot erklärt, um ihn zur Adoption freigeben zu können. „Maifliegenzeit“ ist ein Roman, eine fiktive Story. Allerdings basiert sie laut Nachbemerkung auf der Geschichte von Karin S. aus Sachsen-Anhalt, die, wie 2.000 andere Menschen, so heißt es dort, noch immer nach ihrem Kind sucht.
Ich habe dieses Buch spontan und ohne Vorwissen ausgewählt, wusste nicht, um was es geht – und bin nun überrascht, wie „umstritten“ es ist.
Es geht in dem Roman darum, dass Neugeborene den Eltern gegenüber für tot erklärt wurden, um sie von anderen Familien adoptieren zu lassen. Erschütternd genug, doch nicht nur ausgedacht: Es soll tatsächlich vorgekommen sein in der DDR. Jügler schreibt von drei aufgeklärten und den oben erwähnten 2.000 Verdachtsfällen. Natürlich gibt es auch eine Dunkelziffer. Das geht nicht spurlos an mir vorbei, ich wollte mehr darüber wissen – und fand dabei die Worte der Landesbeauftragten. Was sie zu dem Thema und „Maifliegenzeit“ sagt, findest du hier.
Tja. Dies als kleine „Warnung“ vorab. Wenn du zu dem Buch greifst und hinterher recherchierst, wirst du vor dieser Diskrepanz stehen. Mich würde das nicht vom Lesen abhalten, da mich auch „Einzelfälle“ interessieren. Aber das muss jede:r selbst entscheiden.
Ein ruhiges Buch
Hans, der Protagonist, ist 1978, als sein Sohn geboren wird, 25 Jahre alt. Die Geschichte erzählt er im Rückblick, denn 40 Jahre später kommt der Anruf, der bestätigt, dass das von Katrin so oft Ausgesprochene stimmt: Daniel lebt.
Auch wenn dem Erzähler einmal die Hutschnur platzt: Hans ist ein ruhiger Mensch, der sich Vorwürfe macht – und dennoch die Zeit vergehen lässt. Der Ton ist ihm angepasst.
Ich mochte, wie ehrlich er die Vorkommnisse festhält. Er stellt sich dem, das er nie für wahr gehalten hat: Der Vater hat keinen Mist erzählt, als er von seinen Angelausflügen berichtete; Katrins Überzeugung war nicht der Versuch, dem Schmerz auszuweichen. Er macht Fehler – und er gesteht sie sich letztlich ein.
"Es ist nie leicht, über eigene Verfehlungen zu sprechen, noch schwieriger wird es, wenn sie verheerende Konsequenzen nach sich ziehen - der Grat zwischen Selbsthass und Selbstmitleid ist sehr schmal, das kann ich aus Erfahrung sagen."
eBook, Kap. 8, S. 44, 34,9 %
Gerade im zweiten Teil, der uns zeigt, dass ein Finden noch kein Happy End bedeutet, berührten mich seine Reaktionen, die Unsicherheiten, die Machtlosigkeit. Er wirkte authentisch auf mich.
Viele Naturbeschreibungen
Der Ich-Erzähler ist ein Fliegenfischer, findet Trost in dem Sport, der so viel Geduld und Sanftheit verlangt. Es überraschte mich, zu sehen, dass mich die Fisch-Beschreibungen nicht abschreckten. Positiv ist anzumerken, dass sich immer eine Verbindung zu Hans und seinem Leben finden lässt.
Wenn man nichts mit Fischen und Angeln zu tun hat (wie ich), kann man das Buch noch immer genießen, sofern man gelungene Naturbeschreibungen mag. Wer davon allerdings kein Fan ist, sollte Abstand nehmen: Locker die Hälfte des Textes befasst sich mit der Unstrut und allem, was darin so los ist. Ich hätte mir eine andere Gewichtung gewünscht.
Aufbau/Stil
Der Roman besteht aus II Teilen und 24 Kapiteln. Es gibt viele Zeitsprünge.
Der Stil ist eher nüchtern. Zudem kriegen wir in „Maifliegenzeit“ eine zurückgenommene Sprache, das Buch lässt sich nicht nur wegen der wenigen Seiten flott auslesen.
Einiges bleibt offen, Fragen, die keiner beantworten will, Fragen, die vielleicht auch niemand mehr beantworten kann. Damit muss man leben.
Fazit
„Maifliegenzeit“ ist eine ruhig erzählte Geschichte über ein erschütterndes Thema, von dem ich nicht wusste, dass es in der Welt ist.
Zusammenfassung Maifliegenzeit – Matthias Jügler
Dieses Buch ist für dich, wenn du
- ruhige, eher nüchtern erzählte Geschichten erträgst
- dich für Fische/Angeln interessierst oder Naturbeschreibungen magst
- es akzeptierst, dass es verschiedene Meinungen zu dem Thema gibt (Belege?)
Maifliegenzeit – Matthias Jügler
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