„Mittsommertage“ ist ein aktuelles Buch über umweltpolitische Themen, das zum Nachdenken bringt und viele Diskussionen auszulösen vermag.
Inhalt
Die Woche, in der die Professorin Ruth Lember Mitglied des Deutschen Ethikrates werden soll, beginnt für die 54-Jährige mit einem Hundebiss. Dass dieser nicht das schlimmste Ereignis, sondern lediglich den Anfang von sieben alles verändernden Tagen darstellt, die die Vergangenheit in die Gegenwart holen, ahnt sie nicht.
Dr. Ruth Lember
Die disziplinierte und ehrgeizige Protagonistin des Buches ist mit Ben, einem Architekten, verheiratet. Seine Tochter Jenny, inzwischen 20 und seit einem Jahr aus dem Haus, haben sie gemeinsam aufgezogen. Ruth gilt als eine „Vertreterin linksliberaler Ideen“ (eBook, Kap. Montag, S. 29/317, 9%).
Ich habe Dr. Ruth Lember, Professorin für Theoretische und Praktische Ethik, als distanziert empfunden. Es fällt mir schwer, „Ruth“ zu schreiben und ihren Nachnamen wegzulassen. Anfangs konnte ich nicht mitfühlen, weil mir alles egal war. Sie wird von einem Hund gebissen? Tja, shit happens. Das passt nicht zu mir und ich mag es überhaupt nicht, wenn es mir bei Büchern so geht, weshalb ich mit dem Gedanken gespielt habe, den Roman abzubrechen. Das habe ich zwar nicht getan, aber eine Verbindung zu der Hauptfigur habe ich auch im Verlauf nicht bekommen.
Die Figur an sich ist gut gewählt. Dass hier eine Professorin, die in den Ethikrat berufen wird, in einen Gewissenskonflikt gerät, verschärft die Thematik.
Bedrohungen
Der ruhige Alltag der Protagonistin ist vorbei: Unverhofft macht sie nicht nur einen Karrieresprung, sondern findet sich auf einem mit Problemen gepflasterten Weg wieder, den sie nicht verlassen kann – denn dieser Weg, vor vielen Jahren angelegt und immer weiter ausgebaut, ist ihr Leben.
Ein Hund beißt sie in die rechte Wade, notgedrungen nimmt sie ein Antibiotikum, das Nebenwirkungen haben kann.
Ihr Ehemann Ben, vier Jahre jünger als sie, hat eine attraktive Mitarbeiterin eingestellt.
Sie merkt, dass sie von einem Mann beobachtet wird, den sie durch die Maske nicht erkennen kann.
Gustav, genannt Stav, eine Person aus ihrer Vergangenheit, taucht auf – und bringt Dinge zur Sprache, die auf ihr lasten und die sie zu verdrängen versucht hat.
Der Klimawandel ist ebenso eine Gefahr wie die sozialen Medien und das Kollegium, das sich gegen sie stellt.
Wie geht sie mit all diesen Bedrohungen um? Letzten Endes steht sie vor der Wahl, zu dem zu stehen, was sie getan hat – oder nicht. Wie wird sie sich entscheiden? Wie kann es für sie weitergehen? Hält sie die Ungewissheit über die Zukunft aus?
Ein aktueller Roman
„Mittsommertage“ ist ein Buch, das gegenwärtige Themen behandelt. Es spielt im heißen Juni des Jahres 2022 in Berlin und beinhaltet Erinnerungen und Szenen rund um die Corona-Krise. Der Krieg in der Ukraine wird erwähnt. Es geht um die Rolle der Frau, um Gleichberechtigung. Außerdem stehen Umweltaktivisten im Fokus – vor mehr als drei Jahrzehnten und heute. Ich finde es gelungen, dass es nicht nur um die neuartigen Erscheinungen (Klimakleber) geht, die von vielen kritisch beäugt werden. Früher fanden ebenfalls Proteste statt, wenn auch in anderer Form.
Eingebunden wurden diese Themen in eine Geschichte, in der es vor allem um die Frage geht, wie man mit etwas umgeht, das man getan hat und das nicht richtig war. Juristisch verjähren solche Fehler – und wie sieht es moralisch aus?
Ulrich Woelk gibt keinen Weg vor; er überlässt es der Leserschaft, sich eigene Gedanken zu machen.
"Ist wirklich alles nur eine Frage der Perspektive? Steht sie nicht am Ende, sondern an irgendeinem Anfang?"
eBook, Kap. Sonntag, S. 315/317, 99 %
Aufbau/Stil
Wir folgen Ruth Lember in „Mittsommertage“ eine Woche lang. Das Buch besteht aus sieben Kapiteln, die die Namen der Wochentage tragen.
Der Roman lässt sich schnell herunterlesen. Der Schreibstil ist sachlich, was passend erscheint. Es gibt zwar keinen Ich-Erzähler, aber wir folgen Ruth – und über die heißt es: „Ruth mag Sachlichkeit in jeder Form (…)“ – eBook, Kap. Donnerstag, S. 159/317, 50 %.
Dennoch wirkten manche Stellen allzu informierend. Zudem hatte ich Schwierigkeiten mit den Dialogen, da sie für mich häufig nicht echt klangen.
Das Ende, insbesondere, ich nenne es einmal: Die Versöhnung mit der Natur, hat mir sehr gefallen.
Fazit
„Mittsommertage“ ist ein aktuelles Buch über umweltpolitische Themen und die Frage, wie man mit Fehlern aus der Vergangenheit umgeht. Ich hatte hier und da meine Schwierigkeiten, im Großen und Ganzen kann ich die Lektüre aber empfehlen.
Mittsommertage – Ulrich Woelk
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Marie von Wörter auf Papier
schreibt: "Mittsommertage ist ein ruhiger Roman, der viele verschiedene Themen anspricht und dennoch nicht überladen wirkt. Auch das eine schriftstellerische Kunst."
2 Antworten
Danke für die Verlinkung. :)
Es freut mich, dass dir der Roman insgesamt doch ganz gut gefallen hat.
Interessant, dass für dich die Dialoge nicht immer echt klangen. Das ist mir nicht aufgefallen.
Liebe Grüße
Marie
Ja, doch, gerade thematisch fand ich es interessant. Und auch gut lesbar.
Ehrlich gesagt meckere ich oft an Dialogen rum. Da hat wohl jeder seinen eigenen Geschmack. :)
Liebe Grüße