So mag er fallen – Paul Bowles

So mag er fallen - Paul Bowles

„So mag er fallen“ ist eine Überraschung: Trotz der unscheinbaren Hauptfigur und der Tatsache, dass alles unausweichlich auf eine Katastrophe hinausläuft, fesselt Paul Bowles durch seinen Schreibstil und die Atmosphäre. Insbesondere die Beschreibungen über die Rauschzustände sind bemerkenswert.

4/5

Inhalt

Der ehemalige Bankangestellte Nelson Dyar hat es satt. Er lässt alle Sicherheit und seine Eltern in New York hinter sich, um „dem Käfig“ zu entfliehen und in Tanger neu anzufangen. Vor Ort erlebt er eine Enttäuschung nach der nächsten: Der avisierte Job im Reisebüro seines Bekannten Jack Wilcox ist quasi nicht existent, an jeder Ecke wird er mit der Bestechlichkeit der Menschen und seiner inneren Leere, der Angst, nicht am Leben zu sein, konfrontiert. Wie wird das Abenteuer für ihn ausgehen?

Der Protagonist: Kein Held

Wer ist die Hauptfigur? Auf den ersten Blick ist diese Frage leicht zu beantworten: Nelson Dyar, der seit Jahren in seinem Bankangestelltenjob gefangen ist. Nicht einmal der Krieg brachte ihm eine Abwechslung: Durch seinen Herzfehler wurde er ausgemustert. Er hat seine Eltern in New York nie verlassen, fühlt sich entfremdet, leer und gelangweilt. Es ist teilweise nachvollziehbar, er ist einsam und verzweifelt, man gönnt ihm sein Abenteuer. Aber er begeht es kopflos.

Obwohl er selbst nicht daran glaubt, dass es eine gute Idee ist, entscheidet sich Dyar, von dem stets nur der Nachname genannt wird, seine gesicherte Existenz aufzugeben und nach Tanger zu gehen, wo sein Bekannter Wilcox ein Reisebüro leitet. Seine Bedenken stellen sich als richtig heraus: Er wird nicht gebraucht, jedenfalls nicht als der Angestellte, der er zu werden glaubte. Im Verlauf gerät er an allerhand Menschen, die ihn nur so ernst nehmen, wie wir es tun: nicht ganz, nicht gar nicht. Ein wenig. Er wird ausgenutzt und hingehalten, weil er Dyar ist, der Amerikaner, der nicht weiß, wer er ist, was er will, wo er Grenzen setzen soll.

"'Ich möchte vermutlich spüren, daß ich lebe. Das ist so ungefähr alles.'"

Vermutlich, ungefähr – er hat keine genaue Vorstellung. Der Ortswechsel verändert nichts an seinem Zustand, er ist nach wie vor unwissend und unsicher. Nein, als Held taugt er nicht.

Ein unberechenbarer Mensch

„So mag er fallen“ wird aus Dyars Sicht in der Ich-Form erzählt, wobei wir auch den einen oder anderen Hinweis bekommen, der nicht von seiner Seite kommt.
Wir kriegen durch die Perspektive einen umfassenden Einblick in seine Gedanken und Beweggründe, verstehen sein Misstrauen, aber wenig von dem, was er tut. Ich habe mich ständig gefragt, warum er dies, das, jenes macht. Wieso betrinkt er sich, wenn es ihm nicht bekommt? Weshalb wirft er die eine oder andere Art Droge ein, wenn alles davon abhängt, dass er einen klaren Kopf behält? Wa-rum?

Nun… darum:

"Auf der verlassenen Plaza setzte er sich nochmals auf den Brunnenrand und zog die Pfeife heraus. Gefährlich oder nicht, so machte sie doch, wie der Alkohol, wenigstens den Augenblick erträglich."

Auf mich wirkte er fast kindlich. Es fällt ihm schwer, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Und so flüchtet er in angenehmere Gedanken, betäubt sich, verliert absichtlich die Kontrolle, die er sowieso nicht hat, verrennt sich munter weiter.

Ein zum Scheitern verurteilter Plan

Dyar kommt ohne Vorwissen nach Marokko. Er versucht sein Glück in Tanger, in dieser Stadt, die unter internationaler Verwaltung steht. Er hat keine Ahnung von den Leuten, der Mentalität. Ich hatte von Anbeginn an wenig Hoffnung, dass er hier ein besseres Leben finden wird – und dieses Gefühl verstärkt sich mit jeder Seite, die man ihn handeln sieht. Nach über der Hälfte geht es richtig los, es kristallisiert sich heraus, weshalb man drangeblieben ist und es weiterhin tun sollte. Denn dies ist eine von den Geschichten, in denen man weiß, dass die Hauptfigur geliefert ist – und man muss zusehen. Man baut keine echte Verbindung zu ihm auf, sodass sich das Mitgefühl in Grenzen halten könnte. Dennoch kann man nicht wegsehen, ist erschüttert darüber, wie dieser Mann von einer schlechten Entscheidung in die nächste stolpert und fortwährend an zwielichtige Menschen gerät, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben. Er muss sich mit verschiedenen Kulturen auseinandersetzen, Kriminalität, Spionage. Aus was für einer Welt kam er? In welche ist er hineingeraten? Gibt es eine, in der er glücklich sein könnte?

Aufbau

Das Buch besteht aus vier Teilen. Die Geschichte spielt Ende des Zweiten Weltkrieges.

Der Titel „So mag er fallen“ ist dem 3. Akt von Macbeth entnommen. Im Nachwort erklärt Paul Bowles seine Faszination für die Passage, außerdem erzählt er, wie die Story entstanden ist, was an ihr der Wahrheit entspricht und Fiktion ist.

Wir steigen ein, als die Hauptfigur der Fähre entsteigt. Das hat mir gefallen. Auch den Schreibstil des Autors mochte ich. Er schreibt fesselnd und schafft es, das Interesse an der Geschichte aufrechtzuerhalten, ohne dass man mit dem Protagonisten viel anfangen kann. Die Visionen, die Dyar erlebt, diese traumartigen Szenen sind überaus gelungen – und ich kann derlei Schilderungen für gewöhnlich wenig abgewinnen.

Bowles schreckt nicht davor zurück, seine Figuren fertigzumachen.
Es ist stellenweise ein brutaler Roman.

Wind und Regen werden eingesetzt, um im gesamten Buch passende Stimmungen zu erzeugen. Die letzten Sätze wirken dadurch sehr stark.

Fazit

„So mag er fallen“ ist eine Überraschung: Trotz der unscheinbaren Hauptfigur und der Tatsache, dass alles unausweichlich auf eine Katastrophe hinausläuft, fesselt Paul Bowles durch seinen Schreibstil und die Atmosphäre. Insbesondere die Beschreibungen über die Rauschzustände sind bemerkenswert.

Ich werde mich nach weiteren Werken von ihm umsehen.

Zusammenfassung So mag er fallen von Paul Bowles

Dieses Buch ist für dich, wenn du

So mag er fallen - Paul Bowles

So mag er fallen – Paul Bowles

Originaltitel: Let It Come Down (1952)

Übersetzung: Maria Wolff

Verlag: Goldmann

Erschienen: Dezember 2006

Seiten: 416

ISBN: 978-3-442-46346-6

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