Verbrenn all meine Briefe – Alex Schulman

Inhalt

Ein Streit mit seiner Ehefrau Amanda bringt alles ins Rollen: Alexander will wissen, woher sein Zorn kommt. Er beginnt eine neue Therapie, bekommt bei der Familienaufstellung eine Einsicht: Er muss auf Seiten seiner Mutter graben. Er fängt bei seinem Großvater Sven Stolpe an, einem Schriftsteller, der sich alles und jeden zum Feind machen konnte. Hat er das Dunkle von ihm geerbt? Welches Trauma hat Stolpe zu dem gemacht, der er war? Alexander begibt sich auf Spurensuche – und findet in „Verbrenn all meine Briefe“ sowohl eine Liebesgeschichte als auch eine Tragödie.

Ein mutiges Buch

Ich habe großen Respekt vor dem Autor.

Es handelt sich bei „Verbrenn all meine Briefe“ um einen Roman, der auf wahren Begebenheiten und echten Menschen beruht. Alex Schulman ist Alexander, der Ich-Erzähler des Buches. Er spricht über sich, über seine Familie. Er gibt zu, dass seine Art anderen zusetzt, dass seine Töchter Angst vor ihm haben. Nach acht Jahren Therapie beginnt er eine neue. Schulman will die Weitergabe der vererbten Wut stoppen. Er hat keine Probleme damit, Themen anzusprechen, über die lieber geschwiegen wird – und auf sich selbst zu zeigen.

Dreiecksgeschichte

Die Familie seiner Mutter war ständig zerstritten, die Konstellationen wechselten, einhelligen Frieden gab es nicht. Alex Schulman spürt, dass er bei seinem Großvater Sven Stolpe ansetzen muss, einem Mann, vor dem sich die Enkel fürchteten – und der keine Scheu hatte, sich zu verfeinden. Er nimmt sich die Bücher vor, die in seinem Keller liegen, denn Sven Stolpe war Schriftsteller. Und tatsächlich: Der Ich-Erzähler findet heraus, dass sich die Themen wiederholen. Außerdem ist etwas passiert im Jahre 1932 zwischen seiner Großmutter Karin, damals 25, seinem Großvater – und einem Dritten.

„Verbrenn all meine Briefe“ beinhaltet eine Dreiecksgeschichte – wer diese verabscheut, sei an dieser Stelle gewarnt.
Mir hat gefallen, dass der schwedische Autor es schafft, Spannung aufzubauen. Wir wissen von Anbeginn an grob, wie das Buch endet, denn Alexander ist der Enkel von Karin und Sven. Nichtsdestotrotz habe ich mir – genau wie der Autor zwischendrin – gewünscht, dass es anders kommt. Es war schockierend und traurig, Karins Schicksal zu verfolgen. Svens Verhalten war abscheulich, es war keine Freude, den Roman zu lesen. Da war immer eine Hoffnung für Karins weiteren Weg, die ich nicht beiseiteschieben konnte, obwohl ich wusste, dass sie enttäuscht werden würde.

Berührend – im Nachhinein

Vieles an diesem Buch hat mich berührt, beispielsweise die Ehrlichkeit und Offenheit, die der Autor sich selbst gegenüber in seine Zeilen gelegt hat.
Auch der Hass, der innerhalb der eigenen Familie immer wieder zum Vorschein kam, hat mich getroffen.

Karins Geschichte ist eine, die wehtut, wütend und fassungslos macht. Ich war allerdings nie den Tränen nahe, nicht komplett ergriffen. Das haben die Sätze nicht geschafft. Je mehr ich über das Gelesene nachgedacht habe, desto tiefer wirkte es.
Ich liebe es, wenn Worte direkt ins Herz gehen – und das war hier nicht so. Manches konnte ich mir nicht recht vorstellen, anderes war mir zu übertrieben, entsprach nicht meinem Geschmack. Obwohl ich weiß, dass „Verbrenn all meine Briefe“ real ist, kamen mir gewisse Szenen unglaubwürdig vor. Vielleicht hätte es geholfen, mehr Einblicke in Karins Gedanken zu bekommen. Es gibt Bücher von Sven, Gedichte und Tagebücher von Olof, aber nur wenige kurze Nachrichten, die von Karin stammen.

Aufbau/Stil

Der erste Satz, ja, der gesamte Prolog machte mich neugierig. Alex Schulman beginnt damit, seine Gereiztheit, seine Wutausbrüche zu thematisieren. Er beschließt, seinen Zorn zu erforschen. Wo kommt er her, wann fing er an? Ich wollte es wissen.

Die Dreiecksgeschichte wird erzählt, weil er sich besser verstehen will. Er recherchiert, läuft Wege ab, rekonstruiert. Es geht hin und her, wir wechseln zwischen der Gegenwart (Spurensuche), der Vergangenheit (1932) und dem Jahr 1988, als Alexander zwölf und zu Besuch bei seinen Großeltern war. Allerdings bleibt der Rahmen für mich zu offen. Ich hätte mir gewünscht, dass er diesen detaillierter abschließt, dass er verrät, was er aus seiner Suche gezogen hat, wie es für ihn weiterging, nachdem er sein Wissen über seine Verwandten erlangte. Er sagt am Ende, ihm sei bewusst, dass Sven Stolpes Wut auch seine sei, dass er eine Aufgabe vor sich habe. Vage Aussagen. Reicht allein die Tatsache, dass sein Großvater ein wütender und gehässiger Mann war, als Erklärung aus? Der Prolog wirkt wie eine Rechtfertigung, die Geschichte zu erzählen; eine Legitimation, die ich nicht allzu ernst nehmen kann, auch wenn mir die Offenheit und Ehrlichkeit naheging. Hat er die Wut geerbt? Ich habe es unter „Inhalt“ als Frage formuliert, er schien sich sicher – von Anfang an. Ich habe von der Thematik um vererbte Traumata gelesen, dennoch haben mir hier tiefergehende Erläuterungen gefehlt, um es dem Erzähler abnehmen zu können. Das war innerhalb des Romans mehrmals mein Problem. Mir fehlte etwas.

Die Seiten lassen sich glatt herunterlesen. Der Autor schreibt spannend und mitreißend. Auszüge aus Tagebüchern und Briefen sorgen für Abwechslung und persönliche Noten. Mir kam der Gedanke, dass ich gerne einen Krimi aus der Feder von Alex Schulman lesen würde. Sein fesselnder Schreibstil und die erzeugte Spannung haben mir gefallen.

Fazit

„Verbrenn all meine Briefe“ ist ein mutiger Roman, der spannend geschrieben ist. Ich war schockiert und traurig, aber nicht so berührt, wie ich aufgrund der (wahren) Ereignisse hätte sein können.

3/5!

 

Beruht auf wahren Begebenheiten:

 

 

304 Seiten / ISBN: ISBN: 978-3-423-29037-1 / Originaltitel: Bränn alla mina brev / Übersetzung: Hanna Granz


 

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