Zeit ihres Lebens – Dirk Gieselmann

Zeit ihres Lebens - Dirk Gieselmann

In „Zeit ihres Lebens“ von Dirk Gieselmann geht es um zwei Unglückliche, die noch Hoffnung haben – und letztlich in einer geheimen Liebe zueinanderfinden.

2/5

Werbung, da Rezensionsexemplar

Inhalt

Ende März 1983 lernen sich Frieda und Georg kennen – und lieben. Für Frieda ist es die erste echte Liebe, für Georg der Beginn eines Doppellebens, denn er ist verheiratet und Vater eines Neunjährigen.

Georg Neumann

Georg, ein 41-jähriger Vertreter für medizinische Geräte, hängt fest. In der Siedlung, seiner Ehe mit Anne, in seiner Vaterrolle. Er ist dauermüde, empfindet wenig, selbst die erwiderten Liebesbekundungen in Bezug auf seinen Sohn Christopher, den er bloß als durchschnittlich wahrnimmt, kommen ihm schwer über die Lippen. Alles wird anders, als er Frieda trifft. Er wacht auf – oder besser: Er landet in einer Traumwelt, einem Leben fernab des Alltagstrotts.

Frieda Brunner

Frieda ist 38, eine Deutsch- und Musiklehrerin, die nur einmal schwer verliebt war – und das heimlich. Sie lebt 180km von Georgs Eigenheim entfernt, ihre Nachbarinnen sind sicher, dass sie auf ewig allein bleiben wird, obwohl es doch Angebote gab. Sie ist in ihren kleinen Gesten echt, etwa wenn sie schüchtern die Hand vor den Mund legt. Ich kaufe ihr ab, dass sie sich in ihn verguckt, einfach so. Aber ihm?

Ein Doppelleben

Georg Neumann ist anders als Frieda. Trotzdem erwischt es ihn mindestens so sehr wie sie. Und er weiß, was er tut. Er weiß, dass er seinen Sohn nicht genug liebt, weiß, dass es falsch ist, seinen Ehering abzunehmen und Frieda zu treffen. Aber er weiß auch, was ihm guttut. Er wird vom „Vertreter seiner selbst“ (Pos. 181) zu einem Mann, der große Emotionen erlebt. Zwar bleibt er bei Anne, allerdings pflichtschuldig und nicht einmal mit halbem Herzen.

Er führt ein Doppelleben – genau wie sein Dackel Bruno. Der fängt plötzlich an zu sprechen, als Georg mit ihm auf eine Zigarette rausgeht. Klingt komisch? Soll es auch sein, verstärkte bei mir jedoch das Gefühl, dass ich das Ganze nicht ernst nehmen kann.

Wenig Lesefreude

Ich hatte wenig Spaß an der Geschichte. Zunächst fehlten mir die Fragen, nur die üblichen drängen sich auf: Werden sie zusammenkommen und -bleiben, wird er seine Familie verlassen, wie wird es zu Ende gehen? Aber das reicht nicht. Es mangelt an Besonderheiten. Statt der x-ten Wiederholung, dass Frieda in einem Westzimmer mit Westfenster lebt (obwohl wir das doch früh erfassen), hätte ich mir ein paar interessante Ereignisse gewünscht, Hinweise, die neugierig machen, einen Charakter, der nicht loslässt. Irgendetwas. Aber es bleibt aus. Es plätschert dahin, die Figuren treiben herum in dieser verschwommenen Welt, sind, wie sie sind. Ich habe vergeblich auf etwas gewartet, das das Ruder herumreißt, mich mitnimmt und umstimmt.

Auch an den Schreibstil musste ich mich gewöhnen. Ich habe „Der Inselmann“ gelesen, Gieselmanns Debütroman, der mich berührte. Hans blieb noch lange bei mir. Ich erinnere mich an die poetische Sprache, die unverbrauchten Formulierungen. Hier ist es anders. Anfangs hatte ich das Gefühl, von einer (für mich unglücklichen) Metapher in die nächste zu stolpern. Dazu kommen zahlreiche Vergleiche und Personifikationen. Vielleicht soll das ins Traumbild passen, doch für mich liest es sich anstrengend und lenkt vom Inhalt ab, was hier zwar nicht entscheidend ist, aber trotzdem stört. Es bessert sich ein wenig, gute Einfälle blitzen hervor, es bleibt jedoch überfrachtet. Ein paar Beispiele:

"Die Straßenbäume standen schwankend da wie zottige Kamele und planten ihren Rückzug."
(Pos. 66)

"Die Keller liefen voll, die Gullys übergaben sich."
(Pos. 79)

Es geht um eine Taube:
"Ihre Krallen kratzten hastig auf dem Sims aus Blech, sie gurrte ungehalten und stierte in die Wohnung, als wäre sie vom Amt für Einsamkeit und machte einen Hausbesuch."
(Pos. 908)

"Meisen saßen fröstelnd und beleidigt in den kahlen Ästen: Sie hatten sich den Flug nach Süden in diesem Jahr nicht leisten können."
(Pos. 1442)

Herrje.
Aber: Geschmäcker sind verschieden. Wer diese Sätze und Sprachbilder mag, sollte unbedingt zugreifen. Es gibt jede Menge davon.

Hat mich nicht bewegt

„Zeit ihres Lebens“ soll ein Liebesroman sein. Na gut, von mir aus, ein melancholischer, etwas trostloser, aber in Ordnung. Das Problem: Für ein solches Buch habe ich beim Lesen viel zu wenig gefühlt, obwohl ich gut darin bin. Ich liebe es, wenn mich Worte berühren und Geschichten Tränen kosten – ich bin total offen dafür. Immer her damit. Leider beschäftigte ich mich hier eher mit der Frage, was ich denn überhaupt fühlen soll. Ist das die Liebe, für die ich hoffen soll? Wir haben einen unzufriedenen Mann – und natürlich gönne ich ihm ein Glück. Doch dieses? Hinter dem Rücken seiner Familie? (Auch wenn Anne nicht besser ist …) Und dann ist da Frieda, die sogar das Thermometer vor dem Frieren bewahren will: Sie soll eine richtige Liebe erleben, bitte, ja! Aber mit Georg, dem Ehemann und Vater, der sie verleugnet? Soll ich mir dieses halbe Versteckspiel mit den langen Abwesenheiten als einzige Beziehung für sie wünschen?

Oft mag ich gerade Romane, die nicht schwarz-weiß sind, bei denen man da sitzt und sich nicht für eine Seite oder Lösung entscheiden kann. So eine „wie das Leben halt ist“-Lektüre. Dafür habe ich aber nicht genug mit den Figuren gefühlt. Es war  mir fast egal, was passiert. Und das ist schade.

Fazit

Ein Liebesroman, der mich nicht das hat fühlen lassen, was ich wollte. Das liegt vor allem am Schreibstil, denn der wirkt überladen, gewollt, lenkt zu sehr ab von den Charakteren und ihren Gefühlen. Es entstehen Bilder, aber nicht immer solche, die sich stimmig lesen. Teils kommt etwas Albernes heraus, wo ich doch Ernsthafteres wollte. Ich bin oft hängengeblieben und weiß: Diese Geschichte wird mir nicht für das in Erinnerung bleiben, für das sie in Erinnerung bleiben will.

Zusammenfassung Zeit ihres Lebens von Dirk Gieselmann 

Dieses Buch ist für dich, wenn du

Zeit ihres Lebens - Dirk Gieselmann

Zeit ihres Lebens – Dirk Gieselmann

Verlag: Ullstein

Erschienen: 31.07.2025

Seiten: 224

ISBN: 9783550203053

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