Inhalt
In „Die letzte Spur“ lesen wir von Elaine Dawson, einer grauen Maus, die halbtags arbeitet und sich ansonsten um ihren behinderten Bruder kümmert. Sie verschwindet spurlos. Ein einziges Mal wollte sie etwas erleben und aus dem verschlafenen Nest ausbrechen, die Einladung einer bekannten annehmen und zu deren Hochzeit nach Gibraltar fliegen. Doch in Heathrow endet ihre Reise: Alle Flüge sind witterungsbedingt gecancelt. Leichtsinnig nimmt sie das Angebot eines Fremden, bei ihm zu übernachten statt in der überfüllten Abflughalle zu warten, an. Seitdem ist sie spurlos verschwunden.
Nun, fünf Jahre später, erhält Rosanna den Auftrag, eine Story über vermisste Personen zu schreiben, darunter die junge Elaine. Sie nimmt an – nicht nur, weil sie diejenige war, die Elaine anlässlich ihrer Heirat zu diesem Abenteuer bewegt hat…
Spannende Ausgangslage
Die Ausgangssituation von „Die letzte Spur“ finde ich recht spannend: Elaine, der Inbegriff einer schüchternen Person, wagt mal etwas. Obwohl ihr Bruder sie nicht fliegen lassen will, setzt sie sich durch. Dass sie in Heathrow strandet, war nicht abzusehen. Und dass ein völlig Fremder ihr einen Schlafplatz anbietet, natürlich erst recht nicht. Mal ganz zu schweigen davon, dass sie auch noch mitgeht. Seitdem ist sie weg – bis heute, fünf Jahre später. Das wirft natürlich eine Menge Fragen auf. Lebt sie noch, hat sie bloß ein (sorgenfreieres) neues Leben begonnen? Hat der Mann etwas mit ihrem Verschwinden zu tun? Oder jemand ganz anderes?
Figuren
Rosanna, einstige Journalistin, die Elaine zu ihrer Hochzeit nach Gibraltar eingeladen hat, recherchiert in diesem Vermisstenfall. Dass sie einen persönlich Bezug zu der Sache hat, ist natürlich ein großer Anreiz, um sich richtig hineinzuhängen. Und so erhält sie auch bald einen ersten Hinweis. Ich habe ihre Spurensuche gern verfolgt, muss aber sagen, dass sie mir als Protagonistin irgendwie zu blass blieb. Das gilt auch für die anderen Personen. Sie sind alle austauschbar, ich konnte an ihnen nichts finden, das herausragend wäre oder gar in Erinnerung bliebe. Ganz negativ aufgefallen ist mir Rosannas Geschichte, weshalb sie überhaupt ihre entfernte Bekannte bei ihrer Vermählung da haben wollte. Also bitte! Nicht der Ernst! Ist das altersgemäß? Glaubwürdig? Für mich (zum Glück) nicht. Auch sonst war mir ihr Verhalten oft suspekt.
Verlauf
Insgesamt passiert mir für die 637 Seiten auch zu wenig bzw. geraten die einzelnen Stränge oft in ein langatmiges Stocken. Zwar war mein Lesewille ungebrochen, Frau Link schreibt flüssig und holt mich auch ab, aber es hätte die eine oder andere Überraschung mehr geben dürfen. Anfangs, als Rosanna die erste richtige Spur verfolgt, ist es sehr spannend, aber danach hätte ich mir mehr Tempo gewünscht. Auch der Ausgang, der teilweise (zumindest für den Leser) absehbar ist, konnte mich nicht versöhnen. Ich bleibe recht unzufrieden zurück. Zumal mir einige Motivationen so gar nicht vorstellbar erscheinen. Es wirkte auf mich vielmehr so, dass Charlotte Link ja irgendwie zum Ende kommen musste, irgendwie also eine Situation schaffen musste, die die Wahrheit ans Licht bringt. Mich hat sie überhaupt kein bisschen umgehauen. Ganz im Gegenteil. Ich habe stets gehofft, dass dies nur eine falsche Fährte darstellt und der richtige Showdown noch zurückgehalten wird. Allerdings wartet man auf ihn vergeblich.
Und dann ist da noch die angedeutete Zukunft von Rosanna. Auch ein Punkt, dessen Eintreten ich – realistisch betrachtet – anzweifeln möchte. Nicht anders verhält es sich mit ihrem Bruder. Nein, man kann sagen: Ich bin alles in allem wirklich nicht glücklich mit dem Verlauf und mir erscheint vieles einfach undenkbar.
Fazit
„Die letzte Spur“ beginnt mitreißend, lässt dann aber nach. Figuren sind entweder langweilig und austauschbar oder völlig überzogen (klischeehafte graue Maus und brutaler Schlägertyp). Für mich ein schwacher Roman von Charlotte Link.
Die letzte Spur: Kriminalroman
Eine Antwort
Hab ich vor ewigen Zeiten (also 2008) zu Weihnachten bekommen – war auch nicht mein Ding :)