„Kein guter Mann“ von Andreas Izquierdo erzählt die Lebensgeschichte von Walter, einem liebenswürdigen Miesepeter, der für den zehnjährigen Ben da sein will.
Inhalt
Walter, fast 60, seit 45 Jahren Postbote, stets regelkonform unterwegs, handelt sich jede Menge Ärger ein. Er wird in die Christkindfiliale zwangsversetzt – und beantwortet einen Brief, den ein Junge namens Ben an Gott adressiert hat. Obwohl Walter nach einigen missglückten Versuchen keine handschriftlichen Zeilen mehr formulieren, sondern nur noch Vordrucke eintüten soll, bleibt er mit dem Zehnjährigen in Kontakt – und versucht, dessen schweres Leben ein Stück weit schöner zu machen. Was er nicht ahnt: Auch Ben wird ihm helfen.
Ich musste es mögen
Das Buch hat vieles, für das ich eine Schwäche habe:
- Einen ersten Satz, den ich mag, weil er neugierig macht:
"Lange bevor Walter aus Versehen Gott wurde, suchte seine Chefin bereits nach Wegen, ihn loszuwerden."
S. 9
- Einen Protagonisten, der interessant ist, der Ecken und Kanten, eine eigene Meinung, viel Ärger, aber ein gutes Herz hat: Walter.
- Eine zweite Hauptfigur, der Unmengen aufgebürdet werden, die dennoch zu jeder Zeit freundlich und hoffnungsvoll bleibt und letztlich zum Helden wird, weil sie dem, der ihr helfen will, am meisten hilft: Ben.
- Geheimnisse. Ben schreibt einen Brief an Gott; er hat niemanden, an den er sich wenden kann. Warum? Und was ist los mit Walter, weshalb ist er so, wie er ist? So wütend? Wieso hat er keinen Kontakt zu seiner Familie? Was hat es mit dem Thema Schuld auf sich, das für ihn ein allzu großes ist?
- Nachrichtenaustausch. Liebe ich. Hier haben wir einige kurze Briefe, später steigen Gott/Ben auf E-Mails um.
- Etwas Echtes. Walter macht Fehler, scheitert, obwohl er das Beste im Sinn hat. Es ist keine weichgespülte Geschichte, sondern eine, die ins Leben passt. Eine, die sagt: Sprecht miteinander und hört zu, schaut nicht weg. Vergebt, bevor es zu spät ist.
Und ich mochte es …
Ich wollte etwas Einfaches lesen. Und ja, man kann den Roman glatt herunterlesen. Aber so leicht wie gedacht war es nicht, denn die Geschichte berührte mich.
Wir haben hier einen Mann, dessen Lebensgeschichte wehtut, und einen Jungen, dem man eine andere Kindheit wünscht (und seiner Mutter eine bessere gesundheitliche Verfassung). Wir haben eine Freundschaft zwischen Alt und Jung, die immer wieder an Grenzen stößt. Walters Tochter, die in der Hand ihres gewalttätigen Freundes ist. Gerüchte und Lügen, die alles zerstören. Es ist so viel Schlimmes los in „Kein guter Mann“, es gibt jede Menge Stellen, an denen man Menschen schütteln und den Verlauf verändern möchte. Nein, einfach weggelesen habe ich das Buch nicht. Und das ist gut so, denn ich mag es, wenn Geschichten etwas mit mir machen.
… größtenteils
Ich mochte, dass sich der Roman realistisch liest, echt, nicht schöngefärbt. Gleichzeitig habe ich manche Dinge nicht geglaubt. Und das war mein größtes Problem.
Außerdem:
Einiges bleibt ungeklärt. Damit muss man leben.
Nach dem Schlusspunkt blieb ich mit einer Gefühlsmischung zurück. Es ist weder ein schönes Ende noch ein schlechtes, eher ein bittersüßes. Das passt zum Buch, wird aber manche Menschen unzufrieden stimmen.
Man darf kein Wohlfühlbuch erwarten. Es ist unterhaltsam – und es ist lebensnah. Mit all dem Schmerz, den es so gibt.
Aufbau/Stil
„Kein guter Mann“ wird in fünf Teilen und 67 Kapiteln erzählt.
Dass Walter in die Christkindfiliale versetzt wird, verrät es: Weihnachten steht vor der Tür. Dennoch ist es kein Weihnachtsmärchen, sondern eine zu jeder Jahreszeit lesbare Geschichte, die auf Kitsch verzichtet.
Es gibt, wie erwähnt, einige Briefe und E-Mails, die für Abwechslung sorgen.
Der Roman spielt in der Gegenwart (zur Corona-Zeit, die aber keinerlei Raum einnimmt, sondern nur zweimal genannt wird) und enthält Rückblenden in Walters Jugend/junges Erwachsenenleben in den 70er bzw. 80er Jahren.
Fazit
Kein schlechtes Buch. Ich bin nicht übermäßig begeistert, habe es aber gerne gelesen.
Kein guter Mann – Andreas Izquierdo
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Das Taschenbuch erscheint im September 2024.
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2 Antworten
Hallo Jessi,
ich kann dir bei deiner Rezension wirklich nur zustimmen. Ich fand das Buch schon auch besonders, aber ja, ich bin eine davon, die mit dem Ende nicht ganz so glücklich waren. Es war zwar passend, aber trotdzem hätte ich mir und Walter etwas mehr gewünscht…
Liebe Grüße,
Steffi vom Lesezauber
Liebe Steffi,
das verstehe ich sehr gut. :)