Loyalitäten – Delphine de Vigan

Loyalitäten - Delphine de Vigan

Delphine de Vigan hat einen packenden Roman über den zwölfjährigen Théo und die Frage geschrieben, wann es besser ist, dass Loyalitäten enden.

4/5

Inhalt

Théo ist erst vier, als zwischen seinen Eltern etwas vor seinen Augen und Ohren aus dem Ruder läuft. Er wird zum Scheidungskind, das abwechselnd bei seiner Mutter und seinem Vater lebt – doch ein sicheres Zuhause hat er nicht. Mit zwölf fängt er an zu trinken – und in ihm reift ein Plan.

Der Titel ist Programm

„Loyalitäten“, so heißt das Buch – und darum geht es. Insbesondere um die Loyalität zwischen Eltern und ihren Kindern, aber auch zwischen Ehefrau und Ehemann, allgemein zwischen Menschen.

Ich schätze Loyalität spontan als etwas Gutes und Wünschenswertes ein. Es gibt da diese innere Verbindung, die Treue. Jemand ist loyal, wunderbar.
Aber es sollte auch etwas anderes geben: Grenzen. Denn es gibt Punkte, an denen man illoyal sein muss. Delphine de Vigan zeigt uns dies anhand mehrerer Beispiele.

"Ja, wir sind Verbrecher. Wahrscheinlich. Wenn man es so sieht. Wir verhandeln ohne Unterlass, machen Zugeständnisse, gehen Kompromisse ein, schützen unsere Brut, gehorchen den Gesetzen des Clans, lavieren uns durch, kochen unser eigenes Süppchen. Doch bis wohin? Bis wohin darf man der Komplize des Anderen sein? Bis wohin darf man ihm folgen, ihn schützen, ihn decken und ihm sogar als Alibi dienen?"

Traumata und ihre Auswirkungen

Mit Hélène Destrée fängt alles an. Die Lehrerin von Théo Lubin macht sich Sorgen. Sie kennt Gewalt aus ihrer Kindheit, interpretiert etwas in das Verhalten ihres Schülers hinein, meint, etwas zu sehen, auch wenn andere das für übertrieben halten.

Was hat es für Auswirkungen, „vorbelastet“ zu sein?

"Manchmal denke ich, das Erwachsenwerden ist nur dazu da: die Verluste und Schäden der Anfänge zu reparieren. Und die Versprechen des Kindes zu halten, das wir gewesen sind."

Das Schicksal eines Trennungskindes

Théo Lubin ist 12,5 Jahre alt und lebt im Wechselmodell, das heißt, er pendelt wöchentlich zwischen den Haushalten seiner Eltern. Sowohl das Zusammenleben mit seiner Mutter als auch mit seinem Vater gestaltet sich schwierig. Er lernt: Schweigen bedeutet Sicherheit. Mit der Zeit findet er eine andere Zuflucht: Alkohol. Die Welt um ihn herum ist kalt, doch der Rausch bringt die fehlende Wärme mit sich. Und in ihm reift ein Plan heran.

Mathis Guillaume ist Théos bester Freund. Er ist kein Trennungskind – vielleicht besser gesagt: noch nicht. Denn in seiner Familie spielt sich etwas ab, das die Loyalität der Mutter Cécile gegenüber deren Ehemann William auf die Probe stellt. Mathis ahnt davon nichts, gerät allerdings ebenfalls in einen Loyalitätskonflikt: Er will zu seinem Kumpel halten, doch ihm sind die heimlichen Trinkgelage nicht länger geheuer. Steckt er zu tief drin, um auszusteigen? Schließlich fällt es ihm inzwischen nicht einmal mehr schwer, seine Mutter zu belügen, im Gegenteil.

Mich hat insbesondere Théos Schicksal sehr mitgenommen. Er hat kein sicheres Zuhause, niemanden, der ihn auffängt. Seine Mutter lässt ihn etwas ausbaden, für das er nichts kann, sein Vater hat nicht die Kraft, sich um ihn zu kümmern. Es fällt nicht auf, wie er lebt, was er durchlebt – und als sich seine Lehrerin einschaltet, wird die Belastung nur noch schlimmer, denn Théo will seine Eltern schützen. Es ist zum Heulen.

Ein offenes Ende

Das Ende ist offen – und es ist herzzerreißend. Denn egal, wie es ausgeht, es ist an dieser Stelle schlimm genug.

Das Buch wirft einige Fragen auf, die auch nach Beenden nicht loslassen. Der nicht eindeutig beschriebene Abschluss verstärkt, dass man sich weiterhin mit „Loyalitäten“ beschäftigt.

Aufbau/Stil

Es gibt zwei Ich-Erzählerinnen: Hélène Destrée, die Lehrerin Théos, und Cécile, die Mutter seines besten Freundes. Neben diesen beiden lesen wir auch über Théo und Mathis in abwechselnden Kapiteln. Die Zeitformen unterscheiden sich.

Emotional hat „Loyalitäten“ für mich mehr zu bieten als sprachlich. Die Sätze sind kurz und einfach, es kommt eine Härte und Dringlichkeit durch, die gut zum Inhalt passt.

Fazit

„Loyalitäten“ ist ein tiefgehender psychologischer Roman über die zerstörerische Seite von emotionaler Treue, bei dem innere Konflikte im Vordergrund stehen. Ein aufrüttelndes Buch, das mich sehr mitgenommen hat.

Zusammenfassung Loyalitäten von Delphine de Vigan

Dieses Buch ist für dich, wenn du

Loyalitäten - Delphine de Vigan

Loyalitäten – Delphine de Vigan

Originaltitel: Les Loyautés (2018)

Übersetzung: Doris Heinemann

Verlag: DuMont

Erschienen: 10.03.2020

Seiten: 174

ISBN: 978-3-8321-6503-1

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