Am Meer – Elizabeth Strout

Am Meer - Elizabeth Strout

Was bleibt, wenn es keine Sicherheit mehr gibt?

Lucy erzählt in „Am Meer“ von ihren Gedanken, Gefühlen und Erlebnissen während der Pandemie.

4/5

Inhalt

Lucy und William haben jung geheiratet, zwei Töchter bekommen, waren 20 Jahre zusammen, dann neu liiert – und sind nun allein. Ihr Verhältnis ist gut – und wird durch die Pandemie sogar noch besser, denn William holt Lucy aus New York und bringt sie nach Maine. Hier versuchen sie, gesund zu bleiben, verfolgen die schweren Verläufe aus sicherer Entfernung. In der Isolation und Stille wird Lucy mit dem konfrontiert, wovor sie sich am meisten fürchtet: Einsamkeit.

Eine Flucht vor dem Virus

Der Parasitologe William erkennt den Ernst der Lage sofort, bei Lucy dauert es länger, doch letztlich retten sie sich gemeinsam an die Küste von Maine. Ja, es geht um Corona in diesem Buch. Da der Klappentext nichts verrät, was über das Wort „Zuflucht“ hinausgeht, überraschte mich das. Deshalb meine „Warnung“: All diejenigen, die nichts über die Pandemie lesen möchten, sollten einen Bogen um „Am Meer“ machen. Es gibt kaum eine Seite, die nicht auf irgendeine Weise damit zu tun hat, obwohl es im Grunde nicht um die Krankheit geht: Die Autorin nutzt das Virus, um immer wieder auf die Themen Angst und Mitgefühl zu kommen – und sie macht das gut. Die Figuren werden gezwungen, das wahrzunehmen, was sie sonst ausblenden konnten: Lucys Panik vor Einsamkeit, Williams Bedürfnis, alles zu kontrollieren und in Ordnung zu bringen, die fragile Nähe zwischen ihnen, die Distanz zu ihren Töchtern. Wir sehen, was Ausnahmesituationen mit Beziehungen machen – und dafür brauchte es einen passenden Hintergrund.

Tagebuchartige Einträge

Wir lesen hier Lucys intime und ungefilterte Gedanken während der Coronazeit. Die kurzen Einblicke erinnern an Tagebucheinträge, allerdings gibt es dafür zu viele Erklärungen. Lucy stellt sicher, dass wir verstehen, worauf sie hinauswill, deshalb enden einige Sätze mit „… das will ich damit sagen“. Das nimmt ein wenig die Unmittelbarkeit, unterstreicht aber ihre teils unsichere Persönlichkeit. Zudem lesen wir die Geschichte im Rückblick, sodass immer wieder kleine Andeutungen auf die kommenden Ereignisse möglich sind. Ich mochte den Stil, hatte das Gefühl, der Erzählerin sehr nah zu kommen durch die Zeilen, da sie ihre Erlebnisse und Ansichten offen in Worte fasst und mit uns teilt.

"William sagte ich davon nichts.
William bringt gern Dinge in Ordnung, und das hier ließ sich nicht in Ordnung bringen."

Die Stärke des Buches

Wir bekommen in „Am Meer“ einen ruhigen Text, der den Fokus auf alltägliche Beobachtungen und die Gefühlswelt der Protagonistin legt. Manches mag banal erscheinen, doch Elizabeth Strout ist in einem ganz groß: Sie hat es drauf, die Probleme des Alltags, die Fragen des Lebens, all die Unberechenbarkeit zu schildern. Es gibt so vieles, das wir nicht abschätzen können – und auch ihre Charaktere können das nicht. Dieser Roman lügt nicht. Er erzählt uns weder etwas Rosarotes noch das Gegenteil. Er ist echt. Er traut sich, Unsicherheiten stehenzulassen, statt sie krampfhaft aufzulösen. Das ist mutig – und ich mag alles daran.

Lucy Barton

Die Reihenfolge

Lucy ist neben Olive Kitteridge die Figur von Elizabeth Strout. Die Reihe umfasst bisher vier Bände. Die Reihenfolge der Lucy-Barton-Reihe lautet:

Band 5 ist im Original bereits erschienen: Tell Me Everything aus September 2024.

Mit Teil 3 beginnen?

„Am Meer“ ist mein erstes Buch von Elizabeth Strout, sodass ich ohne Vorwissen an diesen Band gegangen bin. Das war kein Problem, man kann mit ihm starten und ihn als eigenständigen Roman lesen. Ich habe alles erfahren, das ich wissen muss, um dem Inhalt folgen zu können. Mit Lucy haben wir eine – das sagt sie selbst von sich – ängstliche Protagonistin, die in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist. Eine Frau, die einiges verloren hat und nun mit ihrem Ex in Maine landet. Und das ist der Punkt: Ich erkenne, wo wir jetzt stehen und weiß grob, wie wir hier hingekommen sind. Aber ich habe vieles verpasst, das ich gerne miterlebt hätte. Manches wird angedeutet, ich habe die Figuren jedoch nicht zu denen wachsen sehen, die sie sind. Deshalb meine Empfehlung: Am Anfang beginnen, mit Band 1. Ich gehe davon aus, dass sich das lohnt.

Nach diesem Band werde ich die vorherigen nicht nachholen, dafür weiß ich zu viel. Aber ich habe Lust bekommen, ihre andere Protagonistin kennen zu lernen, denn die wird ebenfalls erwähnt.

Fazit

„Am Meer“ ist ein Roman, der in tagebuchähnlichem Stil von Lucys Gedanken, Gefühlen und Erlebnissen während der Pandemiezeit erzählt. Ich mochte die Echtheit der Figuren und Geschehnisse, die Themen rund um Angst und Mitgefühl, Verlust und Liebe, Alter und Neubeginn.

Zusammenfassung 

Dieses Buch ist für dich, wenn du

Am Meer - Elizabeth Strout

Am Meer – Elizabeth Strout

Originaltitel: Lucy by the Sea (2022)

Übersetzung: Sabine Roth

Verlag: btb

Erschienen: 16.04.2025

Seiten: 288

ISBN: 978-3-442-77542-2

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