Inhalt
In „Stay away from Gretchen – eine unmögliche Liebe“ geht es um die 84-jährige Greta, die an Demenz erkrankt ist. Und es geht um ihren Sohn, den bekannten Nachrichtensprecher Tom Monderath, 44, der das in erster Linie lästig findet. Doch mit der Zeit stellt er fest, dass es sich lohnt, sich nicht abzuwenden, zu akzeptieren, dass seine Mutter Dinge vergisst. Denn es hat nicht nur Nachteile: Nach und nach vergisst Greta, dass sie über manches niemals gesprochen hat – und so erfährt Tom Teile aus ihrer über Jahrzehnte gut verborgenen Vergangenheit. Und die haben es in sich…
Die Geschichte wird in Etappen erzählt. Abwechselnd lesen wir aus der Gegenwart ab 2015 in Köln-Porz mit dem Thema Demenz im Vordergrund und der Vergangenheit ab 1939 in Preußisch Eylau. Wir erfahren viel über die Themen Krieg, Hitlerjugend, Flucht.
Für mich persönlich verrät der Klappentext reichlich viel, deshalb werde ich nicht auf alle Themen eingehen, die der Roman behandelt. Ich hatte ihn leider gelesen und habe die ganze Zeit gewartet, dass nun endlich das Thema (Stichwort Foto) aufkommt. Für mich wäre es besser gewesen, ohne nähere Kenntnisse zum Inhalt ans Lesen heranzugehen, zumal dann auch der Verlauf nicht direkt bis zu einem gewissen Grad absehbar gewesen wäre. Aber das ist sicherlich Geschmackssache und wer speziell ein Buch zu dem Thema sucht, für den ist es natürlich gut zu wissen, dass es hier behandelt wird.
Insgesamt ist „Stay away from Gretchen – eine unmögliche Liebe“ sehr vielschichtig und es werden sehr (sehr!) viele wichtige Dinge angesprochen. Ich empfand es alles als sehr passend und stimmig. Durch den ganzen Input bleibt es auch stets interessant.
Figuren
Greta ist die Hauptfigur. Wir verfolgen die wichtigsten Teile ihres Lebens vom kleinen 8-jährigen Mädchen bis zur an Demenz erkrankten älteren Dame. Sie hat mir in ihrer Rolle sehr gefallen, weil sie eine starke Persönlichkeit ist, die sich durch die Umstände selbstverständlich verändert hat. Ich fand sie sehr authentisch.
Wir lernen in den Kapiteln über die Vergangenheit ihre Familie, die Schönaichs, kennen und lesen, was diese schwere Zeit mit ihnen gemacht hat. Insbesondere ihr Opa und ihre Guste-Oma haben mir sehr gefallen.
Ihr Sohn Tom ist der männliche Protagonist. Durch seine Arbeit in den Nachrichten erfahren wir auch viel Politisches, insbesondere zum Thema Flüchtlinge. Er ist zunächst sehr unsympathisch, weil er das Gefühl vermittelt, alles müsste sich um ihn drehen. Er macht eine große Entwicklung durch, die ich ihm aber nur so halb abgenommen habe. Mir war es am Ende zu viel in zu kurzer Zeit, so dass es mir wenig glaubhaft vorkam.
Gefühle
Das Buch behandelt eine Vielzahl von Gefühlen, bei dem Thema rund um Krieg etc. natürlich viele negative. Ich empfand das Lesen teilweise als sehr berührend, mehr als einmal sind ein paar Tränen geflossen. Es ist schrecklich, wenn man bedenkt, dass die Hintergründe zu diesem Buch echt sind, dass das alles genauso hätte passieren können und in abgewandelter Form auch passiert ist.
Auch das Thema Demenz bringt natürlich eine Vielzahl von Gefühlen mit sich.
Und dadurch, dass Greta und Tom beide nicht allzu viele Gefühle zeigen, wird auch das Verdrängen und Verschweigen thematisiert.
Ich konnte gut mit Greta fühlen. Auch Toms Reaktion auf den großen Knall im Mittelteil fand ich sehr gelungen dargestellt.
Erwähnenswert ist auch das Nachwort. Hier wird die Autorin sehr persönlich und man bekommt noch einmal einen anderen Blick auf die Geschichte.
Reihe
„Stay away from Gretchen“ ist der Auftakt einer Reihe. Die weitere Reihenfolge der Gretchen-Reihe lautet:
2 – Was ich nie gesagt habe – Gretchens Schicksalsfamilie (15.06.2022)
Fazit
Der Text tut weh. An vielen Stellen. Und das ist gut so, denn es zeigt, dass die Geschichte fühlbar ist, dass sie ankommt.
Da ist die Vergangenheit, da ist im Hier und Heute die Demenz, da sind Toms Probleme und da sind die Erinnerungen, die endlich aus Greta herauswollen – und damit unendlich viel Potential und absolut kein Platz für Langeweile. Und das hat Susanne Abel gekonnt genutzt. Ein berührender, toll erzählter Roman, der mich – bis auf kleine Ausnahmen wie beispielsweise Toms nicht ganz glaubwürdige Entwicklung – überzeugt hat.
4,5/5!
Stay away from Gretchen: Eine unmögliche Liebe, Roman
528 Seiten / ISBN: 978-3-423-28259-8