Das skurrilste Geiseldrama ever
Die Hauptfigur des Buches ist eine 39-jährige Person, die als Bankräuber scheitert und unbeabsichtigt zu einem ineffektiven Geiselnehmer wird. Zur Verteidigung dieses erfolglosen Menschen muss gesagt werden, dass die Geiseln wenig als Geiseln taugen – es sind die schlechtesten Gefangenen überhaupt. Und die allerbesten. Klingt skurril? Gut. Denn diese Geschichte ist skurril. Es ist wichtig, das zu wissen.
„Eine ganz dumme Idee“ ist ein Buch, das auf Humor setzt, eines, das allerhand groteske Szenen enthält – aber auch eines, das unvergleichlich ehrlich ist. Es handelt vom Erwachsensein, vom Elternsein. Es geht um große Gefühle und die enorme Ratlosigkeit, die wir sicher alle kennen. Um Fehler. Es geht darum, ein Mensch zu sein.
Aufbau
Ich liebe es, wie die Geschichte aufgebaut ist. Wie man nach und nach mehr Zusammenhänge erkennt. Wie ständig etwas nicht als Information, sondern als Überraschung ankommt. Ich hatte das Gefühl, kleine Geschenke auszupacken – und stets zu wissen, dass da mehr kommen. Es hört nicht auf, es bleibt bis zum Schluss ein Fest. Und es sind persönliche Präsente, denn die Leserschaft wird angesprochen und einbezogen. Alles hängt zusammen, kriegt eine Bedeutung. So wenig mich manche Punkte überzeugt haben – der Aufbau ist grandios!
Wiedererkennungswert
Wenn ich mich blind auf die Story eingelassen hätte, ohne zu wissen, wer dieses Buch geschrieben hat – ich hätte es nach wenigen Worten gemerkt und Fredrik Backman zweifelsfrei benennen können. Der Autor schreibt in meinen Augen unverwechselbar. Ich habe mir noch nie (außer in Ratgebern u.ä.) so viele Textstellen markiert wie in dem 5*-Highlight „Stadt der großen Träume.“ Er findet die richtigen Worte, bildet wunderschöne, treffende Sätze, schafft es mit dem ersten davon, mich abzuholen und mitzunehmen. Ich fühle mich verstanden und/oder ertappt, spüre den Wert der Aussagen. Mir hat diese Geschichte, das Was, nicht hundertprozentig gefallen und ich musste mir nicht so viel anstreichen wie beim deutlich ernsteren Vorgänger. Aber das Wie hat mich begeistert (wobei ich auf das ständige „Tussi“ und „Idiot“ gerne verzichtet hätte).
Elf Tage
Ich habe an diesem Buch elf Tage gelesen. Elf Tage! Für meine Verhältnisse ist das eine Ewigkeit. Und so hat sich das am Anfang auch angefühlt. Mit keiner der Personen ist eine normale Zeugenbefragung möglich, alle wirken überzeichnet und agieren völlig absurd. Die Geschichte ist mit jeder Seite skurriler – und ich bin mit jedem Satz genervter geworden. Ich war so bedient, dass ich mich zwingen musste, weiterzulesen. Mein „Was kommt da wohl als Nächstes?“ war eher ablehnender als gespannter Natur. Hätten mich Aufbau und Schreibstil nicht so überzeugt, hätte ich den Roman, der mir vor allem eingangs zu viel war (zu speziell, zu albern, zu unglaubwürdig), abgebrochen. Was ich zum Glück nicht getan habe. Denn:
Einmal alle Gefühle, bitte
Das Buch hat alles in mir ausgelöst. Es hat mich aufgeregt, es hat mich Nerven gekostet. Es war anstrengend, dranzubleiben. Ich habe die Leute verflucht – und zugleich erkannt, wie gelungen sie gezeichnet sind. Es gab viele tolle Sätze. Gegen Ende konnte ich „Eine ganz dumme Idee“ gar nicht mehr weglegen, fand den Text berührend, wahr, kitschig und schön. Ich hatte öfter Tränen in den Augen. Es war eine so viel bedeutsamere Story, als ich zunächst dachte. Wie kann ein Buch so absurd und realistisch, so oberflächlich und tiefgründig zugleich sein?
Ich bleibe zufrieden zurück und bin versucht, höher zu bewerten, als ich es tun werde. Ich kann die Frustration nicht ausblenden, die mich anfangs fast zur Kapitulation getrieben hat. Letztlich ist es ein lesenswertes Buch. Wenn man dranbleibt, wird’s stimmig.
Fazit
Ich war genervt und kurz davor, das Buch abzubrechen. Ich fand’s ätzend und bizarr. Aber ich habe auch gelächelt und manche Sätze gefeiert. Ich war berührt. Ich fand’s herrlich ehrlich. Aufbau und Schreibstil sind markant. „Eine ganz dumme Idee“ ist alles und hat alles mit mir gemacht, kein Buch hat mich je so verwirrt, wenn es um die Bewertung ging.
3,5/5?
464 Seiten / ISBN: 978-3-442-31570-3 / Übersetzung: Antje Rieck-Blankenburg