„Ich hörte die Eule, sie rief meinen Namen“ von Margaret Craven ist eine sehr ruhige und einfühlsame Geschichte.
Inhalt
Der 27-jährige Vikar Mark Brian wird nur noch maximal drei Jahre leben. Im Gegensatz zu dem Bischof, der ihn aufgrund der Diagnose in das indianische Dorf Kingcome schickt, weiß er nichts davon.
Obwohl es wenig aussichtsreich erscheint und der Bischof von Anbeginn an klar macht, dass es ihm niemand danken wird: Mark findet einen Weg in die Herzen der Bewohner – und dafür braucht es nicht einmal Worte wie „Liebe“ oder „danke“.
Es geht um den Tod
Die Geschichte beginnt mit der Feststellung der nie genannten Krankheit Marks, die nicht heilbar ist und ihm nicht mehr als drei Jahre Lebenszeit lässt. Er wird nach Kingcome geschickt, das irgendwann aussterben wird, weil die jungen Menschen das Indianerdorf verlassen, um zur Universität zu gehen. Dort erwartet ihn ein ertrunkenes Kind – und es wird weitere Todesfälle geben.
Mark trifft immer wieder auf den Tod, ohne an seinen eigenen zu denken. Andere wissen um sein Schicksal, obwohl er keine gravierenden Probleme hat, er selbst gesteht sich erst am Ende ein, die Wahrheit verdrängt zu haben. Verwunderlich ist das nicht:
"In einer Welt, in der die Menschen eine künstliche Nebelwand zwischen sich und dem Wesentlichen errichteten, dessen Vorhandensein sie fürchteten und darum fast immer leugneten? Hier, wo der Tod hinter jedem Baum wartete, hatte er Freundschaft mit der Einsamkeit geschlossen, mit dem Tod und mit der Entbehrung, und als Rückenstütze hatte er die feste Mauer seines Glaubens gehabt."
S. 139
Es geht darum, Veränderungen, den Tod, ja, den natürlichen Lauf des Lebens zu akzeptieren und seinen Frieden damit zu schließen.
Akzeptanz
"Aber über eines müssen Sie sich klar sein: Die Leute werden es Ihnen nicht danken. Selbst wenn Sie das Dorf als gebrochener Mann verlassen, werden sie es Ihnen nicht danken. Die Kwákwala-Sprache kennt das Wort 'danke' nicht."
S. 19
Es geht in „Ich hörte die Eule, sie rief meinen Namen“ um Anpassung und Akzeptanz. Darum, sein Bestes zu tun, ohne etwas zu verlangen oder zu erwarten. Es geht um den Sinn des Lebens.
Mark respektiert die Menschen. Er passt sich den Einwohnern, ihren Ritualen, dem Leben in dem neuen Umfeld an, lauscht ihren Mythen, ist empathisch, auch wenn er nicht jedes Verhalten unterstützt (siehe Sam).
Er führt ein Gespräch mit seinem Freund Jim Wallace, das wichtig für dessen Zukunft ist – und in dem es darum geht, Dinge zu hinterfragen und für ein harmonisches Miteinander zu ändern.
Keetah und Gordon sind junge Menschen, die eine große Rolle spielen, da sie unterschiedliche Entscheidungen in Bezug auf ihr weiteres Leben treffen. Sie stehen vor der Frage, ob sie an den ihnen vertrauten Traditionen festhalten oder nicht. Es gibt kein Richtig oder Falsch, sowohl Gordons als auch Keetahs Erfahrungen und finaler Entschluss, die Heimat zu verlassen oder hierher zurückzukehren, werden von Mark (und letztlich allen anderen) akzeptiert.
Ein Gespräch zwischen dem Bischof und Mark fasst das Buch sehr gut zusammen, denn darum geht es:
"Daß es hier, wo nur das Wesentliche zählt, für mich immer leichter war, das zu lernen, was jeder Mensch dieser Welt lernen muß."
"Und das wäre, Hochwürden?"
"Den Sinn des Lebens so weit zu erfassen, daß man bereit ist, zu sterben."S. 138
Die Entstehungsgeschichte: Again Calls the Owl
Um die Hintergründe besser zu verstehen, schließlich spielt der Roman in Kingcome, British Columbia, einem tatsächlich existierenden Ort, den die Autorin besucht hat, habe ich im Anschluss ihre kleine Autobiografie gelesen. „Again Calls the Owl“ wurde leider nicht übersetzt. Obwohl ich ungern auf Englisch lese, kam ich problemlos zurecht.
Verlag: Dell Publishing
Erschienen: 1980/01.12.1983
Seiten: 128
ISBN: 978-0-440-30074-8
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Wir bekommen einen Einblick in das Leben von Margaret Craven, insbesondere als Studentin und Journalistin.
Kingcome kommt erst nach über der Hälfte ins Spiel.
Ich bin überrascht, wie nah sich die Geschichte an der Wahrheit entlangschlängelt. Viele Situationen, die mir aus „Ich hörte die Eule, sie rief meinen Namen“ vertraut waren, sind so oder so ähnlich wirklich passiert. Es ist faszinierend, wie sie die Realität mit der Fiktion verbunden hat.
"I knew that when the book reached the village Eric and the boys would stay up all night to see which Indians I had used for characters. All the village was in the book, but I changed their names."
S. 113 (Again Calls the Owl)
Ich glaube, die meisten fragen sich, was für eine Krankheit Mark das Leben kosten soll. Auch ich wollte wissen, was er hat. Und ja, es gibt eine (unbefriedigende?) Antwort in „Again Calls the Owl“:
"Often in the avalanche of letters I received after the novel was published, people asked me what disease killed Mark Brian. I don't know. What matters is that he learned more of love and life in his three years with the Indians than most men learn in a long lifetime, and that it was he who thanked them."
S. 113 (Again Calls the Owl)
Wem der Roman gefällt, der wird an den Anekdoten in der kurzen Autobiografie bestimmt seine Freude haben.
Aufbau/Stil
Der Roman besteht aus vier Kapiteln und wird auf 160 Seiten in schöner, der Umgebung würdiger Sprache erzählt. Er spielt in Kingcome, British Columbia, einem tatsächlich existierenden Ort, in den 1960ern.
„Ich hörte die Eule, sie rief meinen Namen“ ist eine sehr ruhige Geschichte, die (bis – vielleicht – auf das Ende) keine großen Überraschungen bereithält.
Mir sind in dieser 15. Auflage ein paar Fehler aufgefallen, beispielsweise „Tgen“ statt Tagen (S. 34), „Polatsch“ statt Potlatsch (S. 69). An solchen Stellen bleibe ich automatisch hängen, was immer ein bisschen ärgerlich ist.
Fazit
„Ich hörte die Eule, sie rief meinen Namen“ ist eine sehr ruhige Geschichte. Wer hier sich überschlagende Ereignisse erwartet, wird enttäuscht. Ich fand den Roman wirklich nett – und mochte ihn vor allem in Kombination mit dem Wissen aus „Again Calls the Owl“ darüber, wie er entstanden ist.
Ich hörte die Eule, sie rief meinen Namen – Margaret Craven
Originaltitel: I Heard the Owl Call My Name (1973)
Übersetzung: Kai Molvig
Verlag: Rowohlt
Erschienen: 15. Auflage, November 2022
Seiten: 160
ISBN: 978-3-499-22786-8
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