Zwei ungleiche Gefährten und ein gemeinsamer Traum: ein eigenes Stück Land. Doch in „Von Mäusen und Menschen“ stirbt nicht nur dieser Wunsch.
Inhalt
Seit Lennies Tante Clara tot ist, kümmert sich George um ihn. Er ist geistig zurückgeblieben – und stark wie kein anderer. So finden die beiden Wanderarbeiter immer wieder eine Farm, auf der sie bleiben können. Für kurze Zeit. Denn Lennie handelt sich früher oder später Ärger ein. Er tut es nicht absichtlich, aber sein Handeln ist verwerflich, die Folgen unumkehrbar – und irgendwann hat auch George nur noch wenig Möglichkeiten, seinen Freund zu schützen.
Zwei ungleiche Gefährten
Bei „Von Mäusen und Menschen“ handelt es sich um einen Klassiker aus dem Jahre 1937, geschrieben vom US-amerikanischen Schriftsteller John Steinbeck.
Es geht um zwei Erntehelfer: Lennie und George. Lennie fällt durch seine unbeholfene Art auf, er erinnert an ein Kind. Zuletzt waren sie auf einer Farm nahe Weed, doch durch Lennies Verhalten mussten sie abhauen. Was hat er getan? Und: was hat George an ihm? Er opfert viel, um sie beide durchzubringen. Warum lässt er ihn nicht zurück? Was verbindet sie? Ich habe es mich direkt gefragt – und nach und nach Antworten bekommen. Diese sind nicht immer schön, aber ehrlich.
Letztlich ist eine tiefe Zuneigung unbestreitbar. Das Ende, das ich kommen sah und das mich dennoch kalt erwischte, beweist sie unmissverständlich.
Der American Dream
George träumt von einem eigenen Stück Land, das er mit Lennie bewirtschaften will. Dieser hat vor allem einen Wunsch: Die Kaninchen, die sie haben werden, zu versorgen. Immer wieder rufen sie sich ihre Wunschvorstellungen ins Gedächtnis.
Der „amerikanische Traum“ ist allgegenwärtig, wird nicht nur von den beiden angeschnitten.
Candy ist sofort interessiert. Ein Stück Land wäre etwas ganz Neues für ihn:
"Ich hab nie was gehabt. Ich hab für fast jeden in diesem Staat gesät, aber es war nie meins, was gewachsen ist, und wenn ich geerntet hab, hat mir von der Ernte nichts gehört."
S. 90
Crooks glaubt nicht daran, dass die Männer ihr Ziel erreichen, er hat zu viele scheitern sehen:
"Sie kommen und sie gehen und ziehen weiter und jeder verdammte Kerl von ihnen hat ein Stück Land im Kopf. Und verdammt keiner erreicht es je."
S. 87, 88
Seine Überzeugung hält ihn nicht davon ab, sich kurzzeitig dem Traum hinzugeben.
Auch die anderen Figuren, etwa Curleys Frau, verlieren sich in Träumereien – und immer sind sie der Anfang vom Ende. George hat lange nicht an die Erfüllung der Wunschvorstellung geglaubt. Sobald er beginnt, das Ganze nicht mehr nur als Fantasiegebilde anzusehen, schleicht sich das Unglück an.
Letztlich stellt sich der Traum nicht nur als illusorisch heraus, nein, die Angst davor, dass er nicht wahr werden könnte, läutet den Untergang ein. Der unerreichbare Traum ist die eigentliche Gefahr in dieser Geschichte.
Niederträchtige Verhaltensweisen
Die Themen kommen – wie die Protagonisten – in ungleichen Paaren daher. Es geht in „Von Mäusen und Menschen“ um Zugehörigkeit und Einsamkeit, um Selbstbestimmung und Abhängigkeit. Und es geht um Stärke und Schwäche. Ich finde vor allem interessant, dass die Figuren allesamt ihr wahres Gesicht zeigen. Da ist ein gravierender Unterschied zwischen Lennies ungewollt brutalem und dem niederträchtigen Verhalten anderer Charaktere. Er will nichts Böses tun. Sie machen ihr Gegenüber nieder, um sich größer zu fühlen. Bewusst.
George gibt zu, Lennie schlecht behandelt zu haben. Er hat ihm dies und das angetan, kam sich
"[...] neben ihm Gott weiß wie gescheit vor."
S. 49
Crooks, der jeden Tag zu spüren kriegt, wie es ist, niedergemacht und ausgeschlossen zu werden, konfrontiert Lennie mit dessen größten Ängsten – und blüht auf dabei.
"Crooks' Gesicht hellte sich auf vor Vergnügen bei der Qual des andern."
S. 85
Dass das ungewollt folgenschwere Verhalten Lennies zu den Entwicklungen führt, während das bewusst zugefügte Leid durch die anderen vergessen wird, macht die Geschichte für mich besonders hart – vor allem, weil ich auch sie verstehe:
Verständnis
Ich sehe immer beide Seiten, finde häufig Verständnis für alles und jede:n – so auch in „Von Mäusen und Menschen“.
George beeindruckt mich, weil er sein schlechtes Verhalten zugibt und hinter sich gelassen hat. Ich muss ihn nicht dafür hassen. Er straft sich für seine Taten ab, indem er auf Lennie aufpasst und dadurch auf vieles verzichtet, ehe er erkennt, dass sie tatsächlich voneinander profitieren. Immer wieder versichern sich beide, was sie aneinander haben.
Und das Ende. Soll ich ihm einen Vorwurf machen? Wohl kaum. Aus seinen anfänglichen Späßen ist eine tiefe Verbindung entstanden, nach der andere sich sehnen. Deshalb ergreift er die einzige Möglichkeit, die ihm bleibt, um seinen Freund zu schützen.
Crooks hat im Alltag keine Gelegenheit, sich erhaben zu fühlen – und nutzt bei Lennie seine einzige Chance.
Auch Candys Abschlussszene ist ergreifend. Er arbeitet sich an einem am Boden liegenden, ja, an einem toten Menschen ab. Aber was hat er alles verloren? Er wurde nach einem Arbeitsunfall degradiert, weiß, was mit seinem Hund passiert ist – und warum. Er ahnt, dass er selbst bald nicht mehr viel leisten kann. Für kurze Zeit sah er einen Ausweg. Doch die Hoffnungen, die seine letzten Tage und Stunden ausfüllten, sind dahin. Dass er zusammenbricht, zeigt, dass er trauert, dass er nicht wusste, wohin mit seinen Gefühlen.
Ja, die Figuren handeln nicht einwandfrei. Sie haben ihre Gründe – und keine bösen Absichten. Eigentlich wollen sie alle nur ankommen.
Ich mag Bücher, die zum Nachdenken bringen und uns vor Augen führen, dass das Leben nicht schwarz-weiß ist.
Aufbau/Stil
Die Geschichte besteht aus sechs Kapiteln, die nicht nummeriert sind.
Es gibt Vorausdeutungen, so dass der Verlauf und das Ende erahnt werden können.
Die Naturbeschreibungen sind großartig. Ansonsten ist der Ton rau. In den zahlreich vorhandenen Dialogen hat sich der Autor sprachlich den Figuren angepasst. Lennies Sätze fallen u.a. durch doppelte Verneinungen auf. Ich finde, dass es John Steinbeck gelungen ist, mithilfe der Ausdrucksweise authentische Charaktere darzustellen.
Fazit
„Von Mäusen und Menschen“ ist ein Klassiker, der mich gekriegt, eine Tragödie, die mich berührt hat.
Von Mäusen und Menschen – John Steinbeck
Originaltitel: Of Mice and Men (1937)
Übersetzung: Mirjam Pressler
Verlag: dtv
Erschienen: 2012
Seiten: 128
ISBN: 978-3-423-14211-3
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