Inhalt
Gerold Plassek, Protagonist in „Geschenkt“, ist nicht nur überraschend Vater eines 14-Jährigen geworden, sondern fungiert nun auch noch ganz unfreiwillig als Glücksbote. Als er, Journalist bei der Gratiszeitung „Tag für Tag“, nämlich über ein überfülltes Obdachlosenheim aus Floridsdorf schreibt, geht dort eine anonyme Spende ein: Die 10.000,00 € werden dafür sorgen, dass über den Winter doch kein Obdachloser seine warme Schlafstätte verliert. Wie sich schnell herausstellt, ist das Ganze kein Zufall. Gerold selbst muss eine wichtige Rolle spielen, denn den Zuwendungen, die allesamt inkognito erfolgen, ist stets der für den Wohltäter ausschlaggebende Zeitungsartikel beigelegt – und immer ist es einer, den der unpassionierte Gerold verfasst hat…
Das Wunder von Braunschweig
Daniel Glattauer hat die Idee für seinen Roman „Geschenkt“ aus dem wahren Leben gegriffen, denn er hat sich an der Spendenserie aus Braunschweig orientiert. Das „Wunder von Braunschweig“ nahm im November 2011 seinen Lauf und wenn man sich ein wenig damit befasst, wird man sofort von den Parallelen erschlagen. Auch hier wollte der Spender (sofern es nur einer war) anonym bleiben, auch hier wurde oft ein Betrag in Höhe von 10.000,00 € verschenkt, auch hier lagen den Scheinen Zeitungsartikel bei. Ich finde es sehr schön, dass der Autor sich eine so edelmütige Vorlage ausgesucht hat, die damit allen (noch einmal) ins Gedächtnis gerufen wird.
Figuren
Daniel Glattauer hat nun um diese Ausgangslage herum eine schöne Geschichte entworfen, die Gerold Plassek, 43, zum Protagonisten hat. Er hat einen Hang zum Alkohol, tritt eher ungepflegt auf, lebt so in den Tag hinein, arbeitet ohne Lust und Leidenschaft, kümmert sich mehr um seine Saufkumpanen als um seine Tochter aus geschiedener Ehe. Doch mit der tristen Einöde ist ab sofort Schluss, denn völlig unverhofft bekommt er nicht nur einen Sohn im Teenageralter, mit dem er auch gleich ein halbes Jahr lang die Nachmittage verbringen soll, nein, er wird auch von einem unbekannten Spender auserkoren und schlüpft ganz ungewollt in die Rolle eines Glücksbringers.
War mir Gerold anfangs nicht sonderlich sympathisch, kristallisiert sich immer mehr heraus, was für ein sensibler und feinfühliger Mensch er eigentlich ist. Ehrlich und größtenteils selbstkritisch kommt er daher. Und so wurde er mir von Seite zu Seite lieber. Die Entwicklung, die er durchmacht, hat mir äußerst gut gefallen, ich finde, dass er eine würdige Hauptfigur darstellt.
Die einzelnen Kapitel sind mit Überschriften versehen, was meiner Meinung nach nicht unbedingt hätte sein müssen, aber es stört auch nicht weiter. Was mich eher enttäuscht hat, war, dass man seine Kumpels, die in seinem Leben ja nun einmal einen fast allabendlichen Part einnehmen, nicht wirklich näher kennen lernt. Sie blieben für mich austauschbare Namen mit Berufsbezeichnungen, ich kann sie noch immer nicht unterscheiden oder ihnen sonst irgendetwas Besonderes zuordnen. Letztlich ist das zwar auch nicht ausschlagend, aber trotzdem irgendwie schade.
Auch mag ich die oft abgebrochenen und stattdessen den Anfang noch einmal wiederholenden Sätze nicht, nur weil sie als zu lang/umständlich formuliert befürchtet werden. Die hätte man alle problemlos stur zu Ende bringen können, das hätte für mich runder gewirkt.
Insgesamt
„Geschenkt“ hat mich zwar nicht vom Hocker gehauen, ist aber durchaus geglückt. Daniel Glattauer hat sein ganz eigenes in Österreich spielendes Wunder geschrieben, das hier und da schon mal ins Herz trifft. Insbesondere Gerold hat mich irgendwie berührt, einfach sein Auftreten, Schicksal und wie holterdiepolter so richtig Schwung und Wandlung in sein Leben kommt.
Auch Manuel konnte mich vollends überzeugen, ein cleverer Junge, der einige positive Eigenschaften seines Vaters mitgekriegt hat.
Ich bin gespannt, ob es hier eine Fortsetzung geben wird. Das ist zwar kein Muss, man kann das alles so stehen und den Leser sich seinen Teil selbst ausmalen lassen, aber ich würde mich über einen Folgeroman doch ziemlich freuen.
Fazit
Herrlich unheldenhafte Helden zeigen, wie schön und weitreichend selbstlose Großherzigkeit doch sein kann.
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