Das Fischerhaus – Stein Torleif Bjella

Das Fischerhaus - Stein Torleif Bjella

„Das Fischerhaus“ von Stein Torleif Bjella ist ein ruhiges Buch mit einem störrischen und einem weicheren Charakter, das Tradition und Fortschritt, das Nachdenkliche und das Treibende, das Unterbewusstsein und Überzeugungen, Forellen und Kraniche, Schatten und Licht vereint.

3.5/5

Werbung, da Rezensionsexemplar

Inhalt

Storsenn muss in der Familie bleiben, davon ist Ivar überzeugt. Innerhalb einer einzigen Woche will er, der zu alt wird, um sich weiterhin um den See zu kümmern, seinem Neffen, den er selbst nicht für den optimalen Kandidaten hält, alles beibringen über das Fischen, Kunst – und das Leben.

Die Charaktere

Jon Aslesson Aal ist ein ruhiger, verantwortungsscheuer Junggeselle, Musiker, „Heizungslehrer“ und „Kopierassistent“. Sein gebrechlicher Onkel Ivar fällt durch die Schroffheit auf, die er an den Tag legt. Er hängt an Traditionen, duldet keinen Widerspruch und kritisiert seinen Neffen fortwährend. Dabei drängt sich die Frage auf, warum er Jon auswählt, weshalb er ausgerechnet ihm die Fischereirechte an dem See in der Kommune Ål überlässt. Tatsächlich nur, weil er Angst vorm „Schwiegerangeln“ (S. 40) hat? Die Suche nach der Wahrheit liest sich teilweise amüsant, etwa in Szenen wie dieser:

"Wenn jemand gerne anpackt, ist Gefahr im Verzug. Schau mal, Jon, du hast keine Ambitionen, und darum bist du auch keine Gefahr. Du tätest dem See und seiner Umgebung gut, weil du nicht gern die Initiative ergreifst. Nichts würde sich ändern, dieser Ort könnte bleiben, wie er ist."

Glücklicherweise fehlt Jon zu diesem Zeitpunkt tatsächlich der Antrieb, denn er läuft nicht gekränkt davon, sondern lässt sich weiterhin Ivars Weisheiten in das blaue Notizbuch diktieren. Er bleibt, wenn auch innerlich brodelnd, hält den Fragen stand, die ihm immer wieder gestellt werden – und kommt ins Nachdenken.

Fiktiv

Der Prolog behauptet, dass die Geschichte über Ivar Helgesson Aal, die der Ich-Erzähler, zu diesem Zeitpunkt 47, uns erzählt, acht Jahre zurückliegen und eine wahre sein soll. Das stimmt nicht. Der Schauplatz ist fiktiv, die Figuren ebenso. Aber es gibt Überschneidungen zwischen Jon und dem Autor. Offenbar hat Stein Torleif Bjella über etwas geschrieben, das er kennt, denn er ist ein (im Gegensatz zu Jon: erfolgreicher) norwegischer Musiker. Sofort kommt mir Ivars ständiges „Darüber solltest du mal ein Lied schreiben“ in den Sinn. Hat er?

Im Außen und Innen

Der Titel verrät es: Es geht ums Fischen. Viel. Aber nicht nur, denn es geht auch darum, etwas in der Arbeit da draußen in sich selbst zu finden. Zu erkennen, dass das Leben der Fische unten im Wasser einiges über das Leben oben an Land aussagt.

Die Tage am Storsenn werden Jon verändern, sie sind eine Art Übergang, den Ivar für so wichtig hält:

"Unterschätze nie den Übergang, denn genau da passiert so viel. Da endet es, da beginnt es. Die meisten bekommen den Übergang gar nicht mit."

Entwicklung

"Ein freier Mensch zu sein bedeutet, selbst das Steuer in der Hand zu haben oder sich steuern zu lassen, wie in diesem Moment. Selbst zu bestimmen, heißt, frei zu sein. Dort will mich die Natur haben, also treibe ich dorthin."

Jon gibt einen Teil seines Widerstands auf. Dennoch wird er er selbst bleiben und nicht jeden Ratschlag in die Tat umsetzen.

"Sicher ist nur, dass das, was für Ivar galt, für mich überhaupt nicht passen muss und sogar falsch sein kann. Ich bin bereit für einen Kurswechsel."

Er nimmt mit, was er gebrauchen kann, und passt den Rest an. Das uralte Netzfischen bleibt, aber mit Nylon- statt Baumwollnetzen. Der Rakfisk weicht. Ein Gleichgewicht, das man auch beim Fischen und in Sachen Schatten und Sonnenlicht nicht aus den Augen verlieren darf.

Der Epilog

Im Epilog wartet der einzige „Schockmoment“ des Buches – und ehrlich gesagt bin ich nicht sicher, ob „Das Fischerhaus“ ohne diese Botschaft nicht stärker gewesen wäre. Gleiches gilt für die letzte Seite. Einerseits schön zu lesen, andererseits irritiert die Sicherheit, die aus dem Schlusssatz spricht. Denn ich mochte die Verlegenheit in der „War das ernst gemeint?“-Szene so gerne! Soll hier die Entwicklung unterstrichen werden? Möglicherweise.
Beide Punkte nehmen dem Roman zugegebenermaßen etwas von der Schärfe, die die Giftpfeile verteilt haben, und sorgen dafür, dass ich „Das Fischerhaus“ mit einem weniger melancholischen, eher harmonischen Gefühl zugeklappt habe. Allerdings erst, nachdem ich das Kapitel „Montag“ vom Anfang noch einmal gelesen und mich über so manchen Satz gefreut habe, der sich mit dem Wissen vom Ende ganz anders liest.

Fazit

Von mehr als nur dem Herbstfischen im kalten Bergsee erzählt „Das Fischerhaus“ von Stein Torleif Bjella. Es ist ein ruhiges Buch mit einem störrischen und einem weicheren Charakter, das Tradition und Fortschritt, das Nachdenkliche und das Treibende, das Unterbewusstsein und Überzeugungen, Forellen und Kraniche, Schatten und Licht vereint.

Das Fischerhaus - Stein Torleif Bjella

Das Fischerhaus – Stein Torleif Bjella

Originaltitel: Fiskehuset

Übersetzung: Daniela Syczek

Verlag: btb Verlag

Erschienen: 24.04.2024

Seiten: 176

ISBN: 978-3-442-76228-6

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Deine Meinung

2 Kommentare

  1. Schöne Besprechung, hat mich neugierig gemacht. Übers Fischen habe ich noch nie etwas gelesen. Das stelle ich mir ruhig und beschaulich vor. Schade, dass das Ende etwas von der Schärfe nimmt. Ich halte mal nach dem Buch Ausschau. Wie bist du darauf gekommen? Viele Grüße!

    1. Danke. :)

      Alle paar Monate, wenn ich der Meinung bin, nichts mehr zum Lesen zu haben (was ehrlicherweise eigentlich nie der Fall ist, haha), schaue ich die Verlagsvorschauen durch. Dabei ist mir dieses Buch aufgefallen.

      Ich habe dir mal eine Mail geschickt.

      Liebe Grüße

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