Das Geschäft des Lebens – Saul Bellow

Saul Bellow - Das Geschäft des Lebens

Saul Bellows „Das Geschäft des Lebens“ überzeugt sprachlich, liest sich aber durch die verlorene Hauptfigur dennoch recht anstrengend.

3/5

Inhalt

"Wenn es darauf ankam, seine Sorgen zu verheimlichen, konnte Tommy Wilhelm es mit jedem aufnehmen."

Tommy Wilhelm hat es nicht leicht. Zunächst ist er als Student und Schauspieler gescheitert, dann als Ehemann und Verkaufsleiter. Nun lebt der Mittvierziger – wie sein Vater – im Hotel Gloriana in New York. Da er in absehbarer Zeit pleite sein wird, vertraut er sein letztes Geld Dr. Tamkin an, der es durch Spekulationen an der Börse vermehren will. Sein Vater warnt ihn vor dem ominösen Psychologen, doch Wilhelm sieht keine anderen Möglichkeiten, nachdem ihm jede finanzielle Unterstützung versagt wurde.

Charaktere

Der 44-jährige Tommy Wilhelm ist eine Person, die unter der Kälte und dem Druck der Gesellschaft leidet. Alle anderen scheinen klarzukommen. Er nicht. Es wird deutlich, dass er sich nicht als Teil sieht, sondern isoliert. Er neigt dazu, sich in Dinge zu verrennen – und ist doch nur auf der Suche nach dem Platz, der zu ihm passt.
Ich verstehe seine Situation. Und ich mag feinfühlige Menschen. Dennoch ist er kein Charakter, den ich ins Herz schließen konnte.

Dr. Adler ist vermögend, aber nicht gewillt, seinen Sohn zu unterstützen. Er kommt kritisch und emotional distanziert daher, hat, wie auch Margaret, Wilhelms Ehefrau, die die Scheidung vereitelt, Probleme damit, wenn jemand Gefühle zeigt. Sie erwarten Anstand und Selbstbeherrschung. Wilhelm wartet vergeblich auf das Mitgefühl seines Vaters, wodurch andere – trotz Warnung und eigener Bedenken – leichtes Spiel haben:

Tamkin, der sich als Psychologe und Börsen-Profi ausgibt, zeigt sich verständnisvoll und hilfsbereit – was genau das ist, wonach sich der Protagonist sehnt. Es überrascht wenig, dass Wilhelm ihm sein Geld gibt, obwohl er Bedenken hat und seine Zweifel nicht leiser werden.
Trotz der Tatsache, dass der manipulative Tamkin ein Scharlatan ist, bringt er einige schlaue Sätze hervor:

"Die Menschen vergessen, wie sensationell die Dinge sind, die sie tun. Sie nehmen es an sich selbst nicht wahr. Sie fügen sich in den Hintergrund des Alltagslebens ein."

Und er ist derjenige, der den Titel (im Original: Seize the Day – Nutze den Tag) beisteuert. 
Der deutsche Titel wird mehrmals im Text erwähnt, etwa hier

"In einem Augenblick der Ruhe, wenn tiefe Erschöpfung ihn kampfunfähig machte, konnte er dieses geheimnisvolle Gewicht spüren, diesen Auswuchs oder Zuwachs namenloser Dinge, die herumzutragen zu dem Geschäft seines Lebens gehörte."

sowie später auf Seite 54, als es wieder um die Bürde geht, die Wilhelm zu tragen, um die Emotionen, die er zu unterdrücken hat.

Das Ende

Wasser ist ein Symbol, das in der Novelle häufig anzutreffen ist. Ich mochte, dass der Autor so viele verschiedene Beschreibungen eingebaut hat. Es hat Spaß gemacht, auf die Nächste zu lauern. Am Ende läuft es dann – endlich – über. Es ist ein guter Ausgang für Wilhelm. Die Masken fallen. Weder als Schauspieler noch im Alltag hat er seine Rolle gefunden – und die Last, eine zu spielen, die nicht zu ihm passt, zeigt sich. Seine Gefühle überwältigen ihn. Er wird gesehen, obwohl ihn niemand kennt. Und er erkennt sich selbst.

Mir ist immer wieder die Farbe Grau aufgefallen, etwa wenn es um die Taube, das taubengraue Hemd, die grauen Flächen (Entfremdung) oder – spannend! – die Haare geht. Gerade in der Szene am Ende, die Haare des anderen grau, seine blond-meliert, sagt etwas aus.

Aufbau/Stil

„Das Geschäft des Lebens“ besteht aus 7 Kapiteln und wird in der dritten Person erzählt. Es handelt sich um einen allwissenden Erzähler, der uns in die Gedanken des Protagonisten, aber auch in die von Dr. Adler blicken lässt. Manchmal wird in die Ich-Perspektive gewechselt, wenn es um Wilhelms Gedankengänge geht. Wir sind in jedem Fall viel im Kopf der leidenden Hauptfigur unterwegs, das muss man mögen. Ich verstehe, dass dieses Sich-im-Kreis-Drehen verdeutlicht, wie isoliert und verzweifelt Wilhelm ist. Dennoch langweilte es mich zuweilen etwas.

Die Geschichte zeigt den einen Tag im Leben des Protagonisten, der alles verändert.

Ich mochte den Schreibstil von Saul Bellow. Die Atmosphäre ist angespannt, aber er lockert das Ganze mit einer Portion Humor auf. Ich werde mir die Romane des Autors anschauen.

Fazit

Sprachlich hat mir „Das Geschäft des Lebens“ gefallen. Aber… ach, Wilhelm… Ich war immer irgendwo zwischen Verständnis und Entnervung.

Saul Bellow - Das Geschäft des Lebens

Das Geschäft des Lebens – Saul Bellow

Originaltitel: Seize the Day (1956)

Übersetzung: Walter Hasenclever

Verlag: dtv

Erschienen: November 1976

Seiten: 213

ISBN: 3-423-01255-2

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