Der Garten über dem Meer – Mercè Rodoreda

Der Garten über dem Meer - Mercè Rodoreda

„Der Garten über dem Meer“ ist eine ruhige, wenig mitreißende Geschichte, die von einem alten Gärtner erzählt wird.

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Inhalt

Der alte Mann ist schon immer da, die Bohigas sind die dritten Besitzer, für die er sich um den Garten kümmert. Im Sommer kommen sie alle zusammen: der vermögende Senyoret Francesc und die Senyoreta Rosamaria, der Maler Feliu Roca, die verschlossene Eulàlia, dessen Ehemann Sebastià Löwen jagt und Späße treibt, die Schneiderin Maragda, die Köchin Quima, Mariona, die Serviererin, und das unberechenbare Dienstmädchen Miranda. Ein dörfliches Idyll unweit von Barcelona? Nicht nur. Als Senyor Bellom, der in Amerika ein Vermögen gemacht hat, für seine bald verheiratete Tochter ein Grundstück mit einem Garten über dem Meer sucht und zum Nachbarn der Bohigas wird, verändert sich alles.

Drohendes Unheil

„Der Garten über dem Meer“ wird von dem alten Gärtner erzählt, der nach dem Militärdienst ins Haus zog. Francesc und Rosamaria sind die dritten Besitzer. Sie verbringen ihre Sommer im Dorf, fahren Wasserski, ehe es zurück nach Barcelona geht. Partys und jede Menge Spaß sind vorprogrammiert, es ist ein richtiges Unterhaltungsprogramm, der Gärtner, der als Ich-Erzähler auftritt, sagt:

"Wenn sie mit ihren Freunden zur Sommerfrische kamen, konnte ich mir die Filme im Excelsior sparen."

Und das stimmt. Langeweile herrscht für ihn nicht in den sechs Sommern. Ein Löwe in einem Käfig hat ebenso einen Auftritt wie ein Affe und ein Spaßvogel. Doch die Geschichte ist eine melancholische, eine ruhige. Ich als Außenstehende habe sie stellenweise als belang- und ziellos empfunden. Dass etwas Schlimmes passieren wird, steht bereits auf Seite 8 fest, der Gärtner nimmt es vorweg. Das klingt allerdings spannender, als es sich anfühlte. Für mich war die Enthüllung nach der Hälfte des Buches eine Überraschung, davor und danach war alles ein Trott, den ich eher öde als unterhaltsam fand.

Rätselhafte Figuren

Über den Gärtner erfahren wir, dass er seine Frau Cecília früh verloren hat. Er spricht am Anfang von ihr – und am Ende immer noch. Auch wenn er vorgibt, nicht an Klatsch und Tratsch interessiert und zu sein, holt er sich seine Informationen ein und bewahrt Geheimnisse. Er ist neutral, nicht auf der Seite der Vermögenden, nicht auf der der Hausangestellten, er versteht sich mit allen. Die Schilderungen der Blumen und Bäume wirken authentisch, so dass der namenlose Gärtner überzeugend dargestellt ist.
Er gibt zu, vergesslich zu sein, könnte als unsicher angesehen werden – und ist doch viel verlässlicher als der Rest. Er ist die Konstante. Die anderen Figuren verhalten sich undurchschaubar. Es hätte so ziemlich alles passieren können, ohne dass es mich gewundert hätte. Sie machen die Geschichte zu einer, die mir manchmal albern, oft oberflächlich und immer seltsam erschien.

Ich bin den Charakteren nicht nahegekommen, entdeckte nichts Interessantes an ihnen, fand, dass ich zu wenig über sie erfahren und von ihnen mitgekriegt habe. Ich musste mich konzentrieren, um die ganzen M.s auseinanderzuhalten: Mariona, Maragda, Maribel, Miranda. Ich fühlte mich wie eine Zuschauerin, die unzufrieden mit ihrem Platz ist, weil sie nicht genug sieht und mitkriegt.

Das liebe Geld

Senyoret Francesc, der Arbeitgeber des Gärtners, ist wohlhabend, ebenso Senyor Bellom, der in Amerika ein Vermögen gemacht hat. Geld spielt eine wichtige Rolle in dem Buch, nicht nur, weil es nötig ist, damit Häuser wie diese erworben oder Pferde angeschafft werden können, um mit dem Nachbarn mitzuhalten. Es wird als Problem dargestellt, wenn jemand lediglich Hilfsarbeiter ist. Es geht um Status und Absicherung.

Aber – und das ist für mich eine der Aussagen des Romans, der in den 1920ern spielt – alles Geld der Welt bringt denen nichts, die Wünsche und Sehnsüchte haben, die nicht käuflich sind. Die Frau des Gärtners ist tot, die Liebe zwischen den Bohigas verblüht, niemand lebt ein erfülltes Leben, Geld hin oder her.

Nach „Auf der Plaça del Diamant“ enttäuschend

Ich habe den Roman gekauft, weil ich von „Auf der Plaça del Diamant“ begeistert war. Das Buch zählt zu meinen Favoriten. Leider kann „Der Garten über dem Meer“ meiner Meinung nach nicht mithalten. Der Schreibstil ist nicht schlecht, aber ich habe ihn nicht als so eindringlich und fesselnd empfunden wie in der Geschichte um Colometa. In beiden Werken gibt es viel Unausgesprochenes und Eigenwilliges. Die Stimmungen sind wahrnehmbar. Mitreißend empfand ich an der Story, die der Gärtner erzählt, wenig – und an der um Natàlia alles. Erneut lässt sich einiges deuten, beispielsweise der Kieselstein, der sich der Vergänglichkeit, die ein bedeutendes Thema des Buches ist, widersetzt.

Dass „Der Garten über dem Meer“ als die katalanische Version von „Der große Gatsby“ gehandelt wird, finde ich interessant. Ich sehe die Parallelen, aber die eigentümliche Faszination, die Jay Gatsby auf seine Mitmenschen und mich als Leserin ausübte, fehlte mir völlig.

Ein dritter Roman der Autorin wartet auf meinem Stapel ungelesener Bücher. Der Wunsch, ihn zu lesen, ist abgeflacht, aber durch das vorangegangene 5-Sterne-Buch immerhin nicht völlig gestorben.

Fazit

Eine ruhige Geschichte, der ich wenig abgewinnen konnte.

Der Garten über dem Meer - Mercè Rodoreda

Der Garten über dem Meer – Mercè Rodoreda

Originaltitel: Jardí vora el mar (1967)

Übersetzung: Kirsten Brandt

Verlag: Berlin Verlag, Piper

Erschienen: 01.06.2016

Seiten: 268

ISBN: 978-3-8333-1054-6

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Deine Meinung

3 Antworten

  1. Das Buch habe ich vor einer Weile auf meine Leseliste gepackt. Dass es als die katalanische Version von „Der große Gatsby“ gehandelt wird, war mir nicht bewusst. Ich liebe Fitzgeralds Buch! Nach deiner Rezension bin mir aber nicht mehr so sicher, ob ich das Buch noch lesen möchte. Unnahbare/uninteressante Charaktere sind mir ein Gräuel.

    1. „Der große Gatsby“ mochte ich deutlich lieber. Aber die Bewertungen zu „Der Garten über dem Meer“ sind größtenteils gut, ich bin da eine Ausnahme.

      Liest du gebrauchte Bücher? Ich würde es dir schenken und zuschicken, wenn du magst. Ich schreibe dir eine E-Mail über deine Seite. :)

      1. „Der große Gatsby“ ist eines meiner Lieblingsbücher, von daher denke ich auch, dass es besser ist – ansonsten müsste dieser Garten wirklich grandios sein.
        Danke für dein liebes Angebot! :) Ich habe dir auf deine Mail geantwortet.

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