Der perfekte Kreis – Benjamin Myers

Das Phänomen der Kornkreise

„Der perfekte Kreis“ ist ein Roman, in dem es um das große Ganze geht. Darum, wie unterschiedlich man alles Mögliche auslegen kann. Es geht um die Wichtigkeit des Hier und Jetzt, um die Bedeutsamkeit einer erfüllenden Aufgabe, um das Zugehörigkeitsgefühl. Um die Schönheit der Natur. Und um die Hoffnung.
Es geht um zwei Männer, die ausgefeilte Kornkreise gestalten.

Wir erhalten als Leser*innen einen Einblick, der den Menschen in dem Buch, die von den plötzlich auftauchenden Naturkunstwerken überrascht werden und alle (un)möglichen Theorien aufstellen, verwehrt bleibt. Am Ende aller zehn Kapitel gibt es jeweils mindestens einen Zeitungsartikel, der über das neueste Kornkreis-Exemplar berichtet und teils auch Vermutungen enthält. Im Gegensatz dazu wissen wir, woher sie kommen. Wir wissen, wer sie auf die Felder zaubert – und nach und nach kriegen wir auch eine Ahnung von der Antwort auf die Frage nach dem großen Warum.

Ich mochte es, das Thema von dieser Seite aus, nämlich aus Insider-Sicht, zu betrachten.

Der Einstieg

Die Geschichte fängt im Juni 1989 mit dem Beginn der neuen Saison an, die Redbone und Calvert gerade einläuten; es ist die dritte, in der sie ihre komplexen Arbeiten erschaffen. Dadurch, dass wir mittendrin einsteigen, die erste Aktion des Jahres verfolgen, war ich direkt dabei und gespannt, wie das Ganze abläuft und weitergeht.
„Der perfekte Kreis“ ist eine ruhige Geschichte, was aber nichts Negatives an sich an. Vielmehr wird dadurch noch deutlicher, was die leisen Töne sagen wollen. Ich fand, dass es ganz viel herauszuhören gab.

Der Schreibstil hat mir auf Anhieb besser gefallen als in „Offene See.“ Man erkennt ihn schon wieder, aber er wirkte auf mich nicht so überladen wie am Anfang des Vorgängerromans, wo ich zunächst gefühlt pausenlos von einem Vergleich zur nächsten Metapher gestolpert bin, von Beschreibungen erschlagen, ehe sich der Text mit den Dialogen deutlich entspannte. Hier musste sich für mich nichts einpendeln, es war sofort alles gut und wohldosiert.

Charaktere

Redbone und Calvert erzählen beide nicht aus der Ich-Perspektive. Ich mag die Ich-Form sehr, weil ich das Gefühl habe, den Figuren auf diese Art und Weise viel näher zu kommen. Nichtsdestotrotz bin ich klargekommen mit den Engländern, die beide zu kämpfen haben, konnte mir das ungleiche Duo um den zum Drogenkonsum neigenden Redbone und den militärisch ausgebildeten Calvert gut vorstellen. Es war schön zu lesen, wie der Kreative und der Informationssammler als Team funktionieren. Ich fand sie als Protagonisten überzeugend, manchmal haben sie mich durch ihre Einstellungen und Handlungsweisen richtig beeindruckt.

Hat mich gekriegt!

Mich haben ihre unterschiedlichen Beweggründe und ihre Herangehensweise berührt.
Obwohl Redbone nicht an menschengemachte Perfektion glaubt, arbeiten sie daran, immer besser zu werden, daran, immer kompliziertere Gebilde zu erschaffen – und dabei das Original zu stellen. Sie wollen niemandem nacheifern, nicht auf Spuren von anderen wandeln. Und sie gehen auf darin!

Die Liebe zur Natur ist nicht nur durch die Vorsicht, die sie bei ihren nächtlichen Aktionen walten lassen, spürbar. Sie nehmen Müllsünder persönlich, verhöhnen Wilderer, setzen sich mit dem Klimawandel auseinander.

Wie sie in Sachen Sebastian reagiert haben, fand ich großartig.

Auch ihr Verhältnis untereinander, insbesondere das, was sie sich bloß denken über den anderen und nicht an- bzw. aussprechen, das hat mir gefallen. Es ist eine sehr respektvolle Freundschaft, in der die Schwächen des anderen stillschweigend akzeptiert werden.
Und die Wichtigkeit, die sie den gemeinsamen Projekten einräumen, obwohl anderes, zumindest auf Seiten von Redbone, darunter leidet, fand ich ganz stark. Sie stellen die Sache über alles andere, weil sie für sie selbst so viel Bedeutung hat, weil sie etwas ist, das sie weitestgehend kontrollieren können, weil sie sie brauchen. Es war für mich tatsächlich nachvollziehbar.

Verlauf

Ich mochte den Einstieg in die in Südengland spielende Geschichte und es fiel mir leicht, dem Geschehen mit einer gewissen Spannung zu folgen. Jedes Kapitel handelt von einer neuen Arbeit der beiden. Es geht um zehn Kornkreise in zehn Kapiteln. Ist das etwas eintönig, gar langweilig? Nö. Für mich war es das nicht. Ich fand es angenehm, dass ich die beiden vorwiegend in Aktion erlebt habe, ohne zu wissen, welche Überraschungen und Störungen diesmal auftauchen. Der Vorgang wird auch nicht immer in aller Ausführlichkeit beschrieben, im Gegenteil, manchmal lesen wir nur vom Vorher und Nachher und sind gar nicht dabei. Und das Besondere ist ja, dass wir nach und nach den Charakteren näher kommen, dass wir immer mehr erfahren und verstehen. Mir hat das richtig gut gefallen.

Allerdings gab es auch in diesem Buch wieder einige Beschreibungen, die ich anstrengend und zu ausufernd fand. Hier war ich dann immer mal kurz versucht, gedanklich abzuschweifen. Aber insgesamt bin ich doch ein Fan von der Schönheit des Schreibstils von Benjamin Myers. Auch die Dialoge fand ich wieder gelungen. Letztes Mal hat Dulcies scharfzüngige Art den Roman aufgelockert, diesmal bringt vor allem Calvert etwas Umgangssprache mit, was die teils poetische Ausdrucksweise und die schwere Vergangenheit (und Zukunft) der Figuren aufmischt. Es gibt durchaus auch amüsante Stellen. Ein gelungener Mix. Würde es einen weiteren übersetzten Roman des Autors geben, ich würde ihn auf der Stelle anhängen.

Fazit

„Der perfekte Kreis“ hat mir überraschend gut gefallen, sowohl vom Thema Natur, Kornkreise etc. her als auch insbesondere in Bezug auf die Charaktere, deren Beziehung untereinander sowie die Motivationen und Handlungsweisen. Manche Beschreibungen waren mir wieder etwas zu viel, aber insgesamt kam es mir im Vergleich zum Erstling gemäßigter – und damit noch schöner zu lesen vor.

4/5!

Der perfekte Kreis: Roman

224 Seiten / ISBN: 978-3-8321-8158-1 / Übersetzung: Ulrike Wasel, Klaus Timmermann


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