Inhalt
London, Mai 1900: Die frischgebackene Ärztin Dr. India Selwyn-Jones fängt in einer Praxis in Whitechapel an. Schnell merkt sie, dass es nicht das ist, was sie will. Zwar will sie in Whitechapel arbeiten, den Armen helfen, aber ihr Arbeitgeber setzt auf bloße Effizienz, während sie Wert auf Hygiene, Moral und Ethik legt. India träumt von einer eigenen Klinik für Frauen und Kinder. Doch von ihren wohlhabenden Eltern hat sie sich abgewandt, ihr Verlobter Freddy, der Premierminister werden will, möchte, dass sie mit an der Gesundheitsreform arbeitet, statt selbst zu praktizieren. Als sie dann in „Die Winterrose“ auch noch auf den als schlimmster Verbrecher Londons geltenden Sid Malone trifft, wird alles durcheinandergewirbelt, was sie je wollte…
Teil 2
Nachdem ich vom Auftakt der Rosen-Trilogie hellauf begeistert war, habe ich mir nun den fast 800 Seiten dicken Nachfolger vorgenommen. Zwar bin ich diesmal nicht restlos überzeugt, konnte beispielsweise die vielen Zufälle nicht mehr so großzügig übersehen, fand die eine oder andere Beschreibung zu ausführlich, aber auch hier wurde ich gut unterhalten. So gut sogar, dass ich durchaus gewillt bin, den Abschlussband zu lesen, der mit 752 Seiten wieder ein ganz schöner Brocken ist.
Ich finde es bei diesem Dreiteiler unbedingt empfehlenswert, der Reihe nach zu lesen. In „Die Winterrose“ wird der Inhalt des ersten Bandes immer mal wieder geschildert, so dass man eine Erinnerungsstütze hat, falls das Lesen von Teil 1 länger zurückliegt. Gleichzeitig kann man Teil 1 nach dem zweiten Band nicht mehr sinnvoll nachholen. Man wird komplett gespoilert. Außerdem habe ich im Auftaktband ein ganz anderes Verhältnis zu Fiona & Co. aufgebaut, als ich das hier getan hätte. Die ganzen Gefühle und all das… nein, ich finde, man muss diese Trilogie chronologisch lesen, um wirklich mitfühlen zu können. Die Reihenfolge der Rosen-Trilogie von Jennifer Donnelly lautet:
1 – Die Teerose
2 – Die Winterrose
3 – Die Wildrose
Dr. India Selwyn-Jones
Protagonistin dieses Buches ist die junge Ärztin Dr. India Selwyn-Jones. Die 24-Jährige ist die Tochter der vermögenden Lady Burleigh, zu der sie aber keinen Kontakt mehr hat. Sie hat dementsprechend wenig Geld, aber große Träume: Sie möchte eine eigene Klinik für Frauen und Kinder in Whitechapel eröffnen. Von den schwierigen Umständen lässt sie sich nicht entmutigen. Täglich nimmt sie Vorurteile gegenüber dem Können und Fachwissen von Frauen hin, unterdrückt ihren Unmut gegenüber ihrem Arbeitgeber, um überhaupt helfen zu können.
Ich fand India eine sehr starke und gelungene Protagonistin. Die Autorin hat es wirklich drauf, mutige Frauen zu entwerfen, die sich nicht unterkriegen lassen. Es hat mich berührt, wie sehr India das Richtige tun will, aber zur Eile und zum Wegschauen gedrängt wird. Ich habe ihr Schicksal gespannt mitverfolgt und gehofft, dass sich ihr Durchhaltevermögen auszahlen wird.
Weitere Figuren
Nachdem mir Band 1 der Rosen-Trilogie so gut gefallen hat, habe ich mich riesig gefreut, dass wir weiterhin Fionas Leben verfolgen. Sie ist immer noch eine sehr wichtige Figur, ist auch in diesem zweiten Teil nicht zu einer Randbemerkung geworden.
Fiona mag India, kann sich mit ihr identifizieren, weil sie weiß, wie es ist, wenn man als Frau in die Welt möchte, in die es sonst (fast) nur Männer schaffen. Ich mochte es, dass ihre Geschichten zunächst parallel verlaufen sind, ehe sich die beiden getroffen haben – und ihre Leben letztlich miteinander verbunden wurden.
Dass es in diesem Band um Gangsterboss Sid Malone ging, fand ich, als ich mitten in Teil 1 steckte, mehr als nur ein bisschen merkwürdig. Allerdings wird am Ende des ersten Romans klar, was es damit auf sich hat. Ich werde nicht spoilern, aber ich fand die Rollen, die er im Verlauf einnimmt, sehr interessant und war gespannt, wie sich sein verzwicktes Leben entwickeln wird.
Freddy, Indias Verlobter, spielt selbstverständlich auch eine bedeutende Rolle. Ich fand ihn direkt unangenehm, was sich mit zunehmender Seitenzahl nur immer mehr steigerte. Die Autorin schafft es nicht nur, überaus sympathische Charaktere zu erschaffen, sondern auch das genaue Gegenteil – und das ist hier definitiv Freddys Part.
Auch Fionas Bruder Seamus treffen wir wieder. Er ist in „Die Winterrose“ 17 Jahre alt und voller Abenteuerlust. Er wird im letzten Band der Protagonist sein. Wir bekommen schon eine grobe Richtung, wohin es gehen wird, es ist quasi eine Vorgeschichte innerhalb der Geschichte von India, was ich manchmal nicht ganz passend fand. Aber die Gegebenheiten haben es natürlich angeboten, weil er auch in „Die Winterrose“ wichtige Auftritte hat. Ich konnte noch keine richtige Verbindung zu ihm und Willa aufbauen, aber das kann sich im Abschlussband natürlich ändern.
Aufbau und Schreibstil
Das Buch ist in drei Teile und 133 Kapitel nebst Prolog und Epilog aufgeteilt. Die Handlung erstreckt sich von 1900 bis 1907.
Wir verfolgen die vielen verschiedenen Perspektiven, ohne dass jemand aus der Ich-Form heraus erzählt.
Jennifer Donnelly schreibt so, dass ich am liebsten gelesen hätte, ohne jemals eine Pause einzulegen. Die Geschichte ist aufgebaut wie die vorherige, man erkennt eindeutig ein Schema. Sie ist sehr fesselnd und es gibt wieder alles: Drama, Liebe, Gewalt. Es gibt viele unglaubliche Zufälle. Es gibt Spannung – und ein paar Längen, die ich im ersten Band nicht feststellen konnte. Auch ist hier der Fokus nicht ganz so klar. Zwar sind India und Sid die Protagonisten und Freddy spielt zwangsläufig eine große Rolle, aber daneben gibt es eben auch noch Fiona, Joe und ihre Familie sowie Seamus, dessen Geschichte hier seine Anfänge für den Abschlussband findet. Es ist alles sehr verzweigt. „Die Teerose“ hat mich noch mehr gepackt, ich konnte noch mehr fühlen. Insbesondere die tiefen Gefühle zwischen Fiona und Joe waren für mich nachvollziehbarer als die doch recht plötzliche Liebe in diesem Teil. Aber auch hier wurde ich gut unterhalten, es gibt keinen Stillstand, es passiert ständig etwas Neues. Ich habe mitgefiebert – zwar nicht so wie beim Vorgänger, aber dennoch ausreichend, um fast 800 Seiten am liebsten am Stück zu lesen. Und den Schluss hätte ich mir tatsächlich ausführlicher gewünscht – ich hätte also gerne sogar noch den einen oder anderen Satz mehr gehabt.
Fazit
Für mich war das Buch nicht so überragend wie Band 1, wo ich noch mehr mitfühlen konnte. Trotzdem: Ein sehr unterhaltsamer und lesenswerter Wälzer, sofern man die vielen unglaubwürdigen Zufälle ertragen kann.
4/5!
Die Winterrose (Rosen-Trilogie 2): Roman
784 Seiten / ISBN: 978-3-492-25281-2 / Übersetzung: Angelika Felenda
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