Kleine Dinge wie diese – Claire Keegan

Inhalt

Um das Kloster in New Ross ranken sich einige Gerüchte. Die Wäscherei, von den Nonnen betrieben, hat einen ausgezeichneten Ruf, doch die leisen Stimmen, die von Lehrmädchen berichten, die zur Umerziehung dort sein sollen, verklingen nicht. Bill Furlong, Vater von fünf Mädchen, der in „Kleine Dinge wie diese“ für alles und jeden Verständnis zeigt, gibt nichts darauf – bis er wegen einer Brennholz- und Kohle-Lieferung in der Kapelle auf die Bewohnerinnen trifft. Sie wirken ungepflegt, arbeiten wie besessen – und eine richtet ein Anliegen an ihn, das ihn zutiefst bestürzt. Was soll er tun? Wegschauen? Oder mutiger sein als die anderen – und mit den Konsequenzen leben?

Der Protagonist macht seinem Namen alle Ehre

Bill Furlongs Start ins Leben war kein leichter: Seine Mutter, eine unverheiratete Schwangere, wurde von ihrer Familie verstoßen. Die beiden hatten Glück im Unglück: Die protestantische Mrs Wilson, kinderlose Witwe, die Bills Mutter beschäftigte, nahm sie bei sich auf.

Heute ist Bill Ende 30, Kohlen- und Holzhändler, Ehemann und 5-facher Vater. Seine Töchter Kathleen, Joan, Sheila, Grace und Loretta liegen ihm am Herzen. Um ihnen die bestmögliche Bildung in der örtlichen Schule St. Margaret’s zu ermöglichen, nimmt er Abstriche in Kauf.

"War es möglich, all die Jahre, die Jahrzehnte, ein ganzes Leben lang weiterzumachen, ohne wenigstens einmal den Mut aufzubringen, gegen die Gegebenheiten anzugehen, und sich dennoch Christ zu nennen und sich im Spiegel anzuschauen?"
(S. 78)

Ich mochte Furlong unheimlich gerne, diesen feinfühligen Menschen, dessen Verhalten mich berührte. Er ist aufmerksam, bemerkt es, wenn seine Töchter bedrückt sind. Ihm fallen Kleinigkeiten auf. Er ist rücksichtsvoll und fürsorglich, sein Herz ist übergroß. Während seine Frau Eileen und der Rest der Stadt das eigene Wohl über das der anderen stellt, hat er auch die im Blick, die kritisch beäugt oder übersehen werden.
Bill ist Furlongs Spitzname. William steht in seiner Geburtsurkunde: willensstarker Beschützer. Ein Name, der wie für ihn geschaffen ist.

Im Verlauf der Geschichte macht er eine Entwicklung durch. Ich habe mich gefreut an der Stelle, an der dieser durch und durch empathische und gutmütige Mann seiner Ehefrau Paroli bietet. Es schmälert sein freundliches Wesen kein Stück. Es gibt Sätze, die deutlich machen, dass er zu kämpfen hat, in einer Art Identitätskrise steckt.
Er würde nicht mögen, dass ich lang und breit über ihn schreibe, aber hey: Ich fand Bill Furlong als Hauptfigur großartig und glaubwürdig, er bringt das Licht in diese düstere Wintergeschichte. Das muss gesagt werden.

Claire Keegan zeigt, wie’s geht

„Kleine Dinge wie diese“ besteht aus 7 Kapiteln und einem Nachwort der Autorin.
Es handelt sich um eine fiktive Story. Magdalenen-Wäschereien gab es aber über viele Jahre hinweg tatsächlich.

Die Geschichte spielt zur Weihnachtszeit 1985 in New Ross, Irland. Arbeitslosigkeit und Massenauswanderung prägen die Zeit.

Die Autorin schreibt elegant und leicht verständlich. Ich mochte den Schreibstil außerordentlich gerne.
Claire Keegan zeigt uns, was sie ausdrücken will, sie benennt es nicht bloß. Aus einem einfachen Satz wie

"Loretta schaute auf den Wandkalender des Metzgers, dessen letzte Seite, mit den Mondphasen des Monats Dezember, von der Zugluft leicht angehoben wurde." 
(S. 19)

lässt sich so viel herauslesen.

Bill bemerkt, wenn seine Töchter traurig sind oder seine Frau etwas im Schaufenster bestaunt. Er verhält sich leise, um Eileen nicht zu wecken, schaut nach Kathleen, der ein Zahn gezogen wurde, spürt, dass seine Jüngste wach ist. Furlong arbeitet notfalls sonntags, überprüft Lieferungen doppelt. Er nennt Loretta, Sheila und seine Erstgeborene „a leanbh“ – und nicht nur sie. Seine Handlungen sagen so viel aus. Nirgends steht: Er ist X und er ist Y, nein, er beweist es uns.

Der Schlusssatz, das Bild mit dem Karton und gleichzeitig den nackten Füßen, wirkt.
Das offene Ende ist verkraftbar, denn das, worum es geht, wurde erzählt.

Ich war begeistert – und bin es noch immer.

Fazit

Großartig!
„Kleine Dinge wie diese“ ist eine kurze Geschichte, die inhaltsschwerer ist als so manch ellenlanges Buch, voller Tiefgang und Güte; eine schnelle Lektüre – und eine, die als kraftvoll im Gedächtnis bleibt.

5/5!

 

 

 

112 Seiten / ISBN: 978-3-96999-065-0 / Originaltitel: Small Things Like These / Übersetzung: Hans-Christian Oeser


 

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