Morgen, morgen und wieder morgen – Gabrielle Zevin

Morgen, morgen und wieder morgen - Gabrielle Zevin

Der Roman „Morgen, morgen und wieder morgen“ steckt voller kreativer Ideen – genau wie seine Hauptfiguren Sadie und Sam, die gemeinsam Videospiele designen.

4/5

Inhalt

Sie lernen sich als Kinder im Krankenhaus kennen: Sadie ist elf, Sam zwölf. Während sie Besucherin ist, muss er nach einem Autounfall länger bleiben. Die beiden freunden sich an, verbringen Stunden zusammen – und mit Super Mario. Weil Sadie ihm etwas verschweigt, bricht der Kontakt ab.

Im Dezember 1995 treffen sie sich wieder: Sam ist auf dem Weg zur Studienberatung, als er die 20-Jährige in der U-Bahn-Station entdeckt und anspricht. Beide haben Termine, doch bevor sich ihre Wege trennen, steckt sie ihm eine Diskette mit ihrem Spiel „Solution“ zu. In Sam reift eine Idee heran: Er will mit ihr Videospiele entwickeln, Sadie kann programmieren, er zeichnen. Sie versprechen sich, sich nie wieder aus den Augen zu verlieren und immer zu verzeihen, doch dann kommt das Leben dazwischen – und ihr Erfolg.

Ein Buch für Gaming-Fans?

Werfen wir einen Blick auf meine Gaming-Karriere: Ich hatte einen Gameboy und eine Nintendo 64, habe gegen meinen Vater Moorhühner abgeschossen und … – das war’s. Die „coolen“ Sachen, die hier und da erwähnt werden, haben mich nicht interessiert – und ich hatte dennoch keine Probleme, mich in dem Buch zurechtzufinden. Ich könnte mir vorstellen, dass echte Gaming-Fans noch mehr mitgerissen werden und eine tiefere Verbindung zu dem Text kriegen. Hallo, Nostalgie. Aber auch ohne eine solche Leidenschaft ist es möglich, Gefallen an „Morgen, morgen und wieder morgen“ zu finden. Es geht schließlich nicht nur um Videospiele.

Darum geht’s

Im Mittelpunkt stehen Sadie und Sam, zwei intelligente Menschen, die Spiele designen. Hinzu kommt Marx, Sams Mitbewohner, der ihnen als Freund und Produzent unter die Arme greift. Und dann ist da noch Dov, Sadies zweifelhafter Dozent.

Die Charaktere überzeugen dadurch, dass sie nicht perfekt sind. Sie haben Ecken und Kanten, Sadie und Sam wirken zeitweise arrogant und kindisch. Sie machen Fehler. Ich mochte sie, sie nervten mich, alles miteinander.
In jedem Fall ist es Gabrielle Zevin gelungen, authentische Figuren zu entwickeln, die mich zum Weiterlesen bewegten, auch wenn ich sie nicht verstand.

Es geht um Freundschaft, Liebe, Familie. Es gibt Eifersucht, Missverständnisse, psychische und physische Krankheiten, Trauer. Themen wie die Herkunft und Klassenunterschiede sowie Sexismus sind vertreten. Es geht ums Scheitern und Weitermachen, darum, wie schwer es ist, über den eigenen Schatten zu springen und das Richtige zu tun.

Zwischendrin ereignisarm

Der Einstieg in die Geschichte hat mir gefallen. Auch dass nicht sofort alle Puzzleteile verteilt werden, sondern nach und nach fehlende dazukommen, mochte ich. In der ersten Hälfte habe ich mich trotzdem gefragt, wieso dieses Buch so gehypt ist. Ich fand’s mittelmäßig, nicht mehr. Mittendrin langweilte ich mich etwas. Es ist ein ruhig erzählter Roman, der Titel bereitet sogar ganz gut darauf vor. Ich hätte mir mehr Tempo gewünscht. Und ich wollte stärker mitfühlen. Manche Stellen berührten mich, zum Beispiel wenn es darum geht, dass es für Sam tröstlich ist, Sadie und Marx als Kollegen an sich gebunden zu haben, weil er in die Freundschafts-Sache kein Vertrauen hat. Es wäre meiner Meinung nach aber gefühlsmäßig mehr zu holen gewesen, gerade bei den Schicksalsschlägen. Dennoch: Es gibt unerwartete Wendungen. Und gegen Ende war es mir unmöglich, das Buch wegzulegen.

Aufbau/Stil

Handlungsort ist Cambridge/Boston, Massachusetts und ab 1999 Venice, Los Angeles, Kalifornien. Wir begleiten die Figuren über Jahrzehnte hinweg, immer wieder werden Vorwegnahmen eingestreut.

Gabrielle Zevin schreibt leicht und bringt in „Morgen, morgen und wieder morgen“ viele Emotionen unter, ohne dass ich es jemals als kitschig empfunden habe. Allerdings hätte ich nichts dagegen gehabt, beim Lesen noch mehr zu fühlen.

Das Besondere ist, dass die Autorin ungewöhnliche Perspektiven eingebaut hat. Es gibt einen „Du“-Abschnitt, was eine Seltenheit ist, und sie nimmt uns sogar mit in eine andere, in die virtuelle Welt. Wie cool sind die Geste, die Idee und der Einblick von Pioneers bitte? Ich fand’s originell und passend. Die Kapitel haben mir sehr gut gefallen.
Ebenso das Ende, das an den Anfang erinnert. Ich habe das Buch mit einem Lächeln auf den Lippen und dem Gefühl zugeklappt, ein harmonisches Gesamtbild gesehen zu haben.

Fazit

„Morgen, morgen und wieder morgen“ von Gabrielle Zevin ist ein vielschichtiger Roman, der mich (als Nicht-Gamerin) insgesamt gut unterhalten hat. Die große Begeisterung kann ich nicht nachfühlen, ich schwanke eher zwischen 3,5* und 4*. Ich mochte vor allem die berührenden Momente, kreativen Ideen und originellen Einblicke sowie den stimmigen Abschluss.

Morgen, morgen und wieder morgen - Gabrielle Zevin

Morgen, morgen und wieder morgen – Gabrielle Zevin

Originaltitel: Tomorrow, and Tomorrow, and Tomorrow

Übersetzung: Sonia Bonné

Verlag: Bastei Lübbe, Eichborn

Erschienen: 24.02.2023

Seiten: 560

ISBN: 978-3-8479-0129-7

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Deine Meinung

3 Antworten

    1. Danke dir. :)

      Mir geht es öfter so, dass ich den Hype nicht verstehe – manchmal kann ich ihn aber auch nachvollziehen. Ist ganz verschieden. Ich gehe da immer neutral dran: Die Chance, dass ich ein Buch mögen werde, ist 50/50, egal ob es gefeiert ist oder nicht.

      Liebe Grüße

  1. Ich hab schon einige Hype-Bücher gelesen, eben weil sie so gehyped wurden, dass sie Dir auf jeder nur möglichen Internet-Plattform über den Weg gelaufen sind. Und während des Lesens frage ich mich dann in der Regel, warum ich so anders empfinde und was die Mehrzahl der Masse an diesem Buch so gut findet … dann bin ich dazu übergegangen, von Hype-Büchern die Finger zu lassen. :-)

    LG Babsi

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