Inhalt
Celeste Ng verrät schon im ersten Satz von „Was ich euch nicht erzählte“, dass Lydia tot ist. Sie kommt nicht zum Frühstück, sie kommt nie mehr wieder. Die Katastrophe steht fest. Doch wie es zu ihr kam, das ist unklar. Wer war Lydia Elizabeth Lee? Welche Geheimnisse hatte die 16-Jährige? Was wurde ihr zum Verhängnis?
Bedrückend
„Was ich euch nicht erzählte“ ist ein bedrückendes Buch, was natürlich klar ist, wenn es darum geht, dass eine Tochter/Schwester stirbt. Das war zu erwarten. Aber es ist ja nicht „nur“ das, die Geschichte ist randvoll mit schwierigen Themen. Es geht darum, anders zu sein, sich nicht zugehörig zu fühlen. Darum, aus der vorgezeichneten Laufbahn auszuscheren. Um eigene Träume – und darum, sie wenigstens durch andere zu leben. Es geht um Abhängigkeiten, um die Macht, die Angst ausüben kann. Und es geht ganz besonders um das, was nicht gesagt wird, um das Unausgesprochene.
Berührend
Ich fand die Story teilweise berührend, nicht ganz so ausgeprägt wie erwartet, aber hier und da steckte ich gefühlsmäßig echt tief drin.
Das Besondere war für mich, dass alle Figuren im Buch einen tragischen Hintergrund haben: Lydia, Nath, Hannah, die Eltern Marilyn und James, ja, selbst der Nachbarsjunge Jack. Alle dieser gut ausgearbeiteten Charaktere hatten für mich das Potenzial, etwas in mir zu bewegen. Und das haben sie auch zum Teil getan. Die Beziehungen lesen sich sehr real – und leider sehen sie in manchen Familien tatsächlich ähnlich aus. Ich war manchmal traurig und manchmal wütend, die Atmosphäre ist durchgehend bedrückend. In meinem Fall war Hannahs Part der schmerzlichste. Ich habe ihre Rolle sehr gefühlt. Aber ich habe auch mit Lydia gelitten. Die Verwirrung der Mutter, als Lydias Verschwinden auffällt, konnte ich ebenfalls spüren. Durch die wechselnden Einblicke, von einem allwissenden Erzähler gewährt, konnte ich mich verschiedentlich einfühlen. Es ist in jedem Fall ein Buch, das etwas in mir ausgelöst hat, andauernd.
Verlauf
Der Einstieg fiel mir leicht. Der erste Satz, sehr simpel, bestehend aus drei Wörtern, hat mein Interesse sofort geweckt. Er stellt etwas klar und wirft gleichzeitig so viele Fragen auf. Auch die nachfolgenden Sätze haben mich gefesselt. Der Anfang war so gut und mitreißend geschrieben, dass ich dieses 5*-Buch-Gefühl hatte.
Es gibt innerhalb der zwölf Kapitel viele nicht näher gekennzeichnete Zeitsprünge, nach und nach erfährt man nicht nur, was mit Lydia passiert ist, sondern auch, wie die Familie überhaupt entstand – und wie alles zunehmend aus dem Ruder lief.
Leider zog sich der Mittelteil für meinen Geschmack zu sehr. Es war mir zu ruhig, zu ereignisarm. Es gibt viele Alltagsschilderungen. Ich hätte mir eine Kürzung gewünscht, obwohl der Roman mit unter 300 Seiten ja sowieso nicht wirklich lang ist. Mir fehlte es an Tempo, ich wollte schneller vorankommen, mehr zum Verschwinden erfahren, der Wahrheit näher kommen.
Fazit
Ein sehr beklemmendes Familiendrama, absolut keine leichte Kost. „Was ich euch nicht erzählte“ hat mich anfangs gepackt, mittendrin ein klein wenig verloren, gegen Ende wieder vollends eingefangen – und einiges in mir ausgelöst.
3,5/5!
Was ich euch nicht erzählte: Roman
288 Seiten / ISBN: 978-3-423-14599-2 / Übersetzung: Brigitte Jakobeit
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