Was wir wollen – Meg Mason

Werbung, da Rezensionsexemplar

Inhalt

Martha und Patrick lernten sich 1993 kennen, sie war 16, er 13. Es dauerte ewig, doch letztlich fand in „Was wir wollen“ zusammen, was zusammen gehört: Sie heirateten, zogen in ein Haus. Es hätte ein glückliches Leben sein sollen, aber Martha durchleidet seit ihrer Jugend wiederholt düstere Zeiten. Kurz nach ihrem 40. Geburtstag steht sie plötzlich ohne Patrick da, der immer alles für sie getan hat. Hat er aufgegeben – sie, die Ehe, ihre Zukunft? Und warum?

Ein packender Einstieg

Bereits auf den ersten Seiten war klar, dass das was wird mit dem Buch und mir. Dass das was ist. Und zwar obwohl alles ziemlich durcheinandergeht und ich mich zeitweise fragte, wo ich hineingeraten bin. Denn die Geschichte ist anders, speziell. Die Charaktere sind originell, sonderbar. Und all das meine ich in höchstem Maße positiv.

Anfangs konnte ich mir nicht vorstellen, worauf das Ganze hinausläuft. Die Stimmung zwischen den Eheleuten war merkwürdig, die eine oder andere Sache zweifelhaft. Störte mich das? Keineswegs. Es steigerte eher mein Interesse. Was läuft hier?
Die Autorin hat mich gefangen genommen, ich konnte mich der Story nicht entziehen. Die Geschichte ist alles auf einmal: feinfühlig und roh, traurig und witzig, tragisch und hoffnungsvoll. Sie ist undurchsichtig und komisch – und vor allem ist sie fesselnd und unterhaltsam. Ich mochte den Schreibstil, kam extrem schnell voran. Trotz der schweren Themen war es leicht und hat Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen.

Originelle Charaktere

Die Protagonistin Martha erzählt die Geschichte in der Ich-Form. Anfangs vermochte ich sie nicht einzuschätzen, aber ich habe mit ihr gefühlt. Im Verlauf habe ich sie zunehmend besser verstanden. Genau wie alle anderen. Vielleicht nicht von Beginn an, doch ab einem gewissen Zeitpunkt hatte mich jede/r Einzelne für sich eingenommen.

Martha war 17, als sie zum ersten Mal in ein Loch fiel, aus dem es keinen Ausweg zu geben schien. Sie hat Ärzte- und Medikamentenmarathons hinter sich, ohne übereinstimmende Diagnosen zu erhalten. Sie ist Kolumnistin, Patrick, der sie schon immer geliebt hat, Spezialist für Intensivmedizin.
Daneben spielt vor allem Marthas Familie eine Rolle: Ihre 15 Jahre jüngere Schwester Ingrid, ihre Mutter Celia Barry, Bildhauerin, sowie ihr Vater, der Dichter Fergus Russell. Niemand von ihnen ist nullachtfünfzehn, alle sind interessant und tragen ihren Teil zur Geschichte bei. Ich mochte die Darstellung der Beziehungen und zwischenmenschlichen Dynamiken sehr.

Das gefürchtete Ende

Ich hatte Bedenken, was das Ende angeht. Martha startet ihre Erzählungen im Winter 2018. Wir erfahren, dass Patrick sie kurz nach ihrem 40. Geburtstag im November 2017 verlassen hat. Nach und nach erleben wir mit, wie sich die beiden kennen lernten, welche Entscheidungen sie getroffen, welche Erfahrungen sie gemacht haben, ehe sie zueinanderfanden. Das „Na endlich!“, das die Familie verspürte, als sie verkündeten, zusammenzugehören, teilte ich. Ich wollte nicht auf ein Ende zusteuern, das aus einer Trennung besteht. Ich kannte die beiden inzwischen zu gut, wollte ihnen und mir das ersparen. Aber da stand es: Es würde kommen, es war passiert; es muss nur noch erläutert werden, wie es dazu kam. Na toll. Ich konnte nicht aufhören zu lesen, musste da durch. Und hier bin ich – ich habe es überstanden. Der Schluss passt zum Buch, zur Geschichte, zu den Figuren. Ich finde ihn völlig in Ordnung und stimmig. Zum Glück.

Fiktiv – und doch so real

Die Story ist fiktiv. Die Krankheit, die namentlich nicht genannt wird, existiert in der geschilderten Art und Weise nicht. Dennoch erscheint alles real. Martha fühlt sich falsch/anders, ohne zu wissen, wieso. Ingrid erlebt die Themen, die es mit sich bringt, wenn man Mutter wird. Auf mich wirkten die unverblümten Beschreibungen und Gefühle authentisch, die Menschen und deren Schicksale kamen mir echt vor.

„Was wir wollen“ von Meg Mason ist ein Buch, das die Wichtigkeit von korrekten Diagnosen bei psychischen Erkrankungen zeigt. Es verdeutlicht, wie fatal Stigmatisierungen und Verleugnungen sind. Die Ausführungen zum Thema Etiketten fand ich treffend:

"'Aber die Sache mit Etiketten ist die, dass sie ausgesprochen nützlich sind, wenn sie zutreffen, weil [...] man sich dann nicht selbst die falschen anheftet wie etwa schwierig oder verrückt oder psychotisch oder eine schlechte Ehefrau.'"
(Hauptteil, Pos. 3506/5061)

Der Roman, der auf der Shortlist des Women’s Prize for Fiction 2022 stand, bringt zum Nachdenken. Den Literaturpreis hat er nicht bekommen – aber mein Herz, das hat er gewonnen.

Fazit

Großartig!
Ich mochte alles an dem Buch, insbesondere die originellen Figuren und den Humor, der trotz aller Schwere ständig präsent ist und das Lesen leicht macht. Der Schreibstil hat mich begeistert. Am liebsten würde ich mich direkt an ein weiteres Werk der Autorin machen, aber „Was wir wollen“ ist ihr Debütroman. Bleibt zu hoffen, dass da mehr kommt.

5/5!

Was wir wollen: Roman

416 Seiten / ISBN: 978-3-7530-0003-9 / Originaltitel: Sorrow and Bliss / Übersetzung: Yasemin Dinçer


Deine Meinung

Eine Antwort

Und was sagst du dazu?

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Lass Dich über neue Rezensionen benachrichtigen.