Eine Novelle, die mehr als eine Romanze bereithält: Der 15-jährige Said entdeckt in „Dshamilja“ die Macht der Liebe.
Inhalt
Said ist 15, als er beginnt, mit seiner Schwägerin Dshamilja und dem rätselhaften Danijar Kornsäcke zu fahren. Die Tage sind lang, frühmorgens brechen sie auf, mittags erreichen sie ihr Ziel: die Bahnstation. Said mag Dshamilja, ihre wilde und selbstsichere, ehrliche Art. Auf den Fahrten lernt Said eine andere Seite von ihr kennen – und auch Danijar überrascht ihn.
Als ihm aufgeht, dass zwischen Dshamilja und Danijar mehr ist, muss er nicht nur seine Eifersucht zügeln. Wird er seiner Familie, die Dshamilja von Herzen liebt, etwas sagen? Schließlich hat ihr Ehemann – Saids Bruder -, wiederholt aus dem Lazarett von Saratow geschrieben, dass er im Herbst heimkommen will.
Das Vorwort treibt die Erwartungen in die Höhe
Auf der Buchrückseite, vor und in dem Vorwort heißt es:
Ich schwöre es: die schönste Liebesgeschichte der Welt."
Louis Aragon
Das klingt vielversprechend ohne Ende – und schraubt die Erwartungen hoch. Wenn ich noch einmal beginnen könnte, würde ich das Vorwort im Anschluss an die Geschichte lesen.
In Kirgisien
„Dshamilja“ spielt im Sommer 1943 in einer Umgebung, die ich auch in Büchern nicht allzu oft antreffe, nämlich in Kirgisien. Es wirkt fremd, wenn von einem Aul (Dorf) gesprochen wird oder der Brigadeführer Orosmat vorbeikommt, um Dshamilja aufzutragen, Korn zu fahren. Tschingis Aitmatows einfache Beschreibungen ermöglichten es mir dennoch, alles klar vor mir zu sehen. Und das, worum es geht, gilt für die Steppe wie für jeden anderen Ort: Gegen große Gefühle kann man wenig ausrichten, Traditionen können gebrochen werden, den eigenen Weg zu gehen, ist eine schwere, aber sicher lohnende Entscheidung.
Die Figuren
Die Hauptfiguren sind der 15-jährige Said, der die Geschichte erzählt, seine Schwägerin Dshamilja, die durch ihre unerschrockene Art auffällt, und Danijar, der kürzlich von der Front zurückgekehrt ist und als schweigsam und verschlossen gilt.
Da es sich um eine Novelle handelt, erwarte ich von den Figuren nicht viel mehr, als ich hier kriege.
Dadurch, dass der unerfahrene Said uns seine Beobachtungen schildert, war es mir problemlos möglich, die Geschichte zu spüren. Er hätte nicht fehlen dürfen. Ich fand insbesondere die Veränderungen, die das Geschehen in ihm auslöst, spannend.
Aufbau/Stil
Seite 5-20 gehören dem Vorwort, danach beginnt „Dshamilja“.
Zunächst lernen wir den erwachsenen Said kennen, der ein Bild betrachtet, das er gemalt hat. Im Anschluss erzählt er, was er in seiner frühen Jugend erlebt hat.
Ich mochte den Schreibstil, auch wenn er anfangs durch die Bildbeschreibung sehr blumig wirkt.
Said erzählt die Geschichte in der Ich-Form, was meiner Meinung nach unumgänglich war. Es sind seine Beobachtungen, Wahrnehmungen und Empfindungen, die dafür gesorgt haben, dass ich die Liebesgeschichte und Saids Entwicklungen sehen und fühlen konnte.
Besonders stark war das Buch für mich an Stellen wie diesen:
"Wenn ich Danijar zuhörte, war mir, als müßte ich mich auf die Erde werfen und sie wie ein Sohn umarmen, nur dafür, daß ein Mensch sie so lieben konnte."
S. 86, 87
"Mochte Danijar auch nur einen alten Mantel und löchrige Stiefel besitzen, ich wußte, daß er in seiner Seele reicher war als wir alle."
S. 117
Sein Erkennen, Verstehen und Erwachsenwerden ist glaubhaft dargestellt. Auch dass er handelt, wie er es tut, überzeugte mich. Ohne seine Entwicklung wäre das Buch nicht annähernd so faszinierend.
Fazit
Ist es die schönste Liebesgeschichte der Welt? Ich weiß es nicht. Es ist in jedem Fall mehr als eine Romanze – es geht auch um die Liebe zum Land, zur Kunst. Ich mochte die Novelle – und werde sie irgendwann noch einmal lesen.
Dshamilja – Tschingis Aitmatow
Originaltitel: Djamila (1958)
Übersetzung: Gisela Drohla
Verlag: Suhrkamp/Insel
Erschienen: 14.11.2011
Seiten: 122
ISBN: 978-3-458-35785-8
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Eine Antwort
Hey Jessica,
vielen Dank dir! Ich habe eben auch schon bei deiner Rezension vorbeigeschaut und vor allem die Zitate, die du ausgesucht hast, finde ich total toll! Dankeschön auch fürs Verlinken! Ich finde es immer total interessant, andere Rezensionen zu Büchern zu lesen, die ich auch rezensiert habe.
Liebe Grüße
Sophia