Der Inselmann – Dirk Gieselmann

Werbung, da Rezensionsexemplar

Inhalt

Als der zehnjährige Hans erfährt, dass er mit seiner Familie auf die Insel im See zieht, ist er froh: Endlich entkommt er. Zumindest vorläufig. Denn das Leben, das neben seinen schweigsamen Eltern nicht unbeschwert ist, wird auch in Zukunft Pläne für ihn bereithalten, denen er nicht entfliehen kann. Was werden seine Erfahrungen in „Der Inselmann“ mit seiner zarten Seele machen?

Der Protagonist

Hans ist zu Beginn zehn Jahre alt. Er lebt mit seinen wortkargen Eltern zusammen, hat einen einzigen Freund: Karl-Georg, genannt Kalle – und einige Feinde.

Ich mochte Hans. Er ist aufmerksam und feinfühlig, stellt sich interessante Fragen, hat ein gutes Herz und verliert nie gänzlich die Hoffnung. Er entdeckt das Besondere im Alltäglichen. Die Menschen um ihn herum machen es ihm nicht leicht, selbst die Eltern nicht.

"Er liebte ihn, das schon, wie auch die Mutter. Ihr Sohn zu sein aber, das liebte er nicht."
(Kap. I, Pos. 206/1775)

Ich hatte Angst um ihn, um das, was von seiner schmalen Unbeschwertheit am Ende übrigbleiben würde. Sein Schicksal bedrückte mich.

Die Natur

Die Natur spielt eine wichtige Rolle in der Geschichte. Sie ist Hans‘ Sicherheit, seine Konstante, sein Glück. Ihr ist alles einerlei. Diese Gleichgültigkeit könnte ein Fluch sein, für ihn ist sie ein Segen: Die Insel lässt ihn sein, wie er ist. Das ist etwas, das die Menschen nicht tun. Ein berührender Gedanke, wie so viele in „Der Inselmann“.

Aufbau/Stil

Das Buch besteht aus V Teilen.

Wir starten acht Tage vor Weihnachten in die Geschichte, Hans ist zehn Jahre alt, und begleiten ihn, bis er über siebzig ist. Jahreszahlen werden nicht genannt.

Ich bin ein Fan von ersten Sätzen, notiere sie mir seit einer Weile. Dirk Gieselmann hat einen geschrieben, der weit vorne mitspielt:

"Es war so kalt, dass selbst der Wind fror."
(Kap. I, Pos. 34/1775)

Vielversprechend. Sehr. Und so geht es weiter. Er beschreibt viel – auf eine ausdrucksstarke, auf eine neue, noch unverbrauchte Art. Ich mochte seine Kreationen.

Am Anfang der Geschichte ist es eisig – und ich spürte es. Ebenso die Kälte, die nicht vom Wetter ausgeht. Der Autor hat es geschafft, alles fühlbar zu machen.

Die Sprache ist weich, ohne rührselig zu sein. Sie überzeugte mich. Daneben gibt es rauere Töne. An manchen Stellen, beispielsweise in der Burg, erschien mir das passend. An anderen fand ich die Wörter störend, sie ließen mich stolpern, rissen mich aus dem Fühlen. Mir war die Story hart genug, das Brutale à la Manne, Helmut, Schulmeister, Burg-Direktor, Aufseher etc. ist reichlich vorhanden, auch mit dem feinen Schreibstil ohne scheißende Kraniche oder Schläge in die Fresse wäre das rübergekommen. Es ist stimmig, insgesamt betrachtet, denn Hans wird genauso rausgerissen, immer wieder. Ich hätte etwas anderes bevorzugt – für uns beide.

Mir gefielen die Bilder, die sich ergänzen: In der Szene, in der die Familie den Brief erhält, der die Inselruhe stört, fliegt ein Falke mit seiner Beute davon. Die Taube (die Unschuld, der Frieden): eingesackt, wie Hans. Des Lebens, das sie führen wollten, beraubt. Es gibt immer einen Gewinner und einen Verlierer.
Die Geschichte erschien mir rund, auch durch die Wiederholungen, die sich durch den Roman ziehen.

Fazit

Dirk Gieselmann nimmt uns mit – auf eine Insel und ein Stück weit in ein sprachliches Neuland, denn seine unverbrauchten Sätze und Bilder begeisterten mich. Seine Worte wirkten.
Inhaltlich ist schnell zu viel verraten.

„Der Inselmann“ ist ein berührender Roman, ein melancholischer, einer, in dem Gleichgültigkeit etwas Positives ist.
Ich empfehle das Buch Leser:innen, die ruhige und bewegende Geschichten mögen, und die mit offenen Fragen fertigwerden, denn nicht alles wird ausgeführt in diesem Roman, der voller Schweigen steckt.

Hans, der Sensible, hat mich gekriegt, ich werde noch lange an ihn denken.

4/5!

Ein ergreifender Debütroman:

 

 

176 Seiten / ISBN: 978-3-462-00025-2


 

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