Klara, die KF
Die Protagonistin des Buches heißt Klara. Sie ist keine gewöhnliche Erzählerin, denn sie ist ein Roboter. Klara lebt in einem Spielzeuggeschäft, bis die jugendliche Josie sie in „Klara und die Sonne“ auswählt und letztlich mit nach Hause nimmt. Fortan ist Klara Josies KF – ihre künstliche Freundin.
Kazuo Ishiguro hat sich als Erzählstimme eine künstliche Intelligenz ausgesucht – und das fand ich spannend. Klara ist sehr besonders, ich fand ihre Art, Geschehnisse zu beobachten und einzuordnen, überzeugend. Sie ist feinfühliger als ihre Artgenossen, nimmt viele Emotionen wahr, die andere übersehen, und versucht diese zu deuten. Sie macht sich viele Gedanken und behält stets das Wichtige im Auge, sieht hin, während andere die Augen verschließen. Sie benennt manche Dinge sehr eigen. Für mich ist Klara eine überaus gelungene Protagonistin.
Weitere Figuren
Josie, die Klara als ihre künstliche Freundin auserwählt hat, spielt natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle. Man liest von Anfang an heraus, dass sie gewisse Schwierigkeiten hat, ohne dass klar genannt wird, um was es sich dabei handelt. Allgemein gibt es oft eher Andeutungen als konkrete Aussagen, was durchaus einen gewissen Reiz ausmacht.
Für mich waren die Figuren allesamt gut vorstellbar, ich habe an ihnen nichts auszusetzen. Insbesondere die Beziehung zwischen Josie und Rick fand ich glaubwürdig.
Themen
Viele wichtige Themen werden in dem Buch angesprochen, einige ethische Fragen aufgeworfen. Ich möchte nichts vorwegnehmen, deshalb ganz allgemein: Es geht um Macht und Status, um Konkurrenz und Spaltung. Es geht um das Streben nach immer Besserem und Neuerem, um Fortschritt und darum, welchen Preis man dafür zu zahlen bereit ist. Es geht um Veränderungen, ganz besonders geht es um Einsamkeit und Liebe, um die Frage, ob man alles so leicht ersetzen und kaufen kann, wie das in der heutigen Zeit mit allerhand Sachen ständig passiert. Und es geht um Hoffnung und darum, sie niemals aufzugeben.
Emotional
Der Autor schafft es, Emotionen zu transportieren. Ich konnte die Stimmungen in „Klara und die Sonne“ oft fühlen, konnte die Gefühle nachempfinden. Manchmal hat mich das Gelesene traurig gestimmt, oft auch nachdenklich. Das Buch hat mich berührt – und das liebe ich. Kazuo Ishiguro schreibt sehr bildhaft. Aber:
Irgendetwas fehlte
Der Einstieg ins Buch fiel mir leicht. Ich habe Klara und ihre empathische Art schnell liebgewonnen und war gespannt, wohin mich ihre Reise führen würde. Immer wenn ich das Buch gelesen habe, fand ich es interessant und fesselnd. Aber nach Unterbrechungen blieb die Lust zum Weiterlesen oft aus. Für meine Verhältnisse habe ich lange für diesen Roman gebraucht, obwohl seine Länge total durchschnittlich ist. Eigentlich sind die offenen Fragen und Konflikte stark und groß, es gibt mehrere erschreckende Szenarien, die hier eingebaut wurden. Gleichzeitig kam mir das Ganze oft so leise vor, gar nicht so gewichtig, wie es mir hätte vorkommen sollen. Ich denke, es fehlte mir u.a. an Tempo. „Klara und die Sonne“ ist eine ruhige Story, es geht alles sehr langsam voran. Vieles bleibt lange unausgesprochen. Hintergründe werden nicht dargelegt. Das Ende ist auch eher offen. Obwohl ich die Geschichte keineswegs schlecht fand, hat mir etwas gefehlt.
Fazit
Interessante Idee, gelungene Protagonistin, berührend. Sehr ruhig und langsam erzählt. Leider war mein Drang, nach Pausen weiterzulesen, häufig gering.
3/5!
352 Seiten / ISBN: 978-3-89667-693-1 / Übersetzung: Barbara Schaden
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