Rebecca – Daphne du Maurier

Rebecca - Daphne du Maurier

„Rebecca“ ist eine ruhig und detailliert erzählte, stimmungsvolle Geschichte über Liebe, Macht und Gefangenschaft.

4/5

Inhalt

Eine schüchterne 21-Jährige, die sich zu einer Gesellschafterin ausbilden lässt, trifft in Monte Carlo auf den angesehenen Maximilian de Winter, der vor knapp zehn Monaten seine Ehefrau Rebecca verlor. Die junge Frau verliebt sich in den doppelt so alten Mann, dessen Anwesen Manderley allseits bekannt ist. Sie kann es kaum glauben: Maxim macht ihr einen Heiratsantrag, befreit sie von ihrer unausstehlichen Arbeitgeberin Mrs Van Hopper, nimmt sie mit in seine Welt der Wohlhabenden. Doch das Glück ist getrübt: Ihre Vorstellungen von einer Ehe waren andere, Rebecca steht zwischen ihnen, ist überall präsent. Als ein Schiff auf Grund läuft, macht ein Taucher eine Entdeckung, die alles verändert – und die neue Mrs de Winter aus ihrer Eifersucht befreit.

Im Schatten der Vorgängerin

Die junge Frau, die die Geschichte aus ihrer Sicht in der Ich-Form erzählt, bleibt namenlos. Es wird erwähnt, dass sie einen ungewöhnlichen Namen trägt, genannt wird er nie. Das passt ins Bild, denn die 21-Jährige fällt durch ihre Unsicherheiten auf, durch ihre Zweifel und Ängste. Sie ist völlig unauffällig. Ein außergewöhnlicher Name würde ihr etwas Interessantes verleihen – doch wir sollen nicht sie, sondern Rebecca spannend finden. Und das tun wir.

Rebecca ist das Gegenteil der neuen Mrs de Winter. Sie ist allgegenwärtig. Sie ist tot – und doch lebendiger als die Erzählerin.

Die Erzählerin wird immer wieder als kindlich dargestellt, etwa wenn sie selbst Gedanken in diese Richtung hat oder Maxim sie entsprechend nennt/behandelt. Sie ist naiv, verhält sich unbeholfen, baumelt mit den Beinen, kauert auf der Sesselkante. Die Umgangsformen der Oberschicht bereiten ihr Schwierigkeiten, auf Fragen antwortet sie einsilbig.
Die titelgebende Rebecca war die Selbstsicherheit und Anmut in Person, eine anziehende und durchsetzungsfähige Frau, die nicht nur ihren Ehemann in der Hand hatte.

Ein düsterer Unterhaltungsroman

„Rebecca“ ist ein Literaturklassiker. Die meisten kennen das Buch, eine der Verfilmungen (z.B. die von Hitchcock) oder wenigstens den Titel und die Autorin. Das Werk erschien 1938. Es handelt sich bei dem Roman um eine Mischung aus

  • Coming-of-Age- (die Erzählerin wird erwachsen)
  • und Liebesgeschichte (nicht nur wegen der fragwürdigen Ehe der de Winters),
  • aus Krimi (Entdeckung des Tauchers und alles, was folgt)
  • und Horrorstory (dazu tragen u.a. das Anwesen, die Charaktere um Mrs Danvers mit ihrem „Totenschädelgesicht“ und insbesondere Rebeccas Präsenz bei).

„Rebecca“ behandelt verschiedene Themen. Die Tatsache, dass die Erzählerin eine Frau aus einfachen Verhältnissen ist, während Maximilian de Winter ein wohlhabender Mann ist, der sich in anderen Kreisen bewegt, bringt unweigerlich die Klassenunterschiede zur Sprache. Die Ehefrauen de Winter hatten unterschiedliche Auffassungen von der Liebe und Ehe, was für einige Überraschungen sorgt. Der Satyr, den Rebecca vor dem Damenzimmer aufstellen ließ und der der Erzählerin nie gefiel, unterstreicht die Diskrepanzen.

Bei dem Krimiteil des Buches muss man sich als Leser:in entscheiden: Auf welcher Seite stehe ich – und gibt es überhaupt eine gute? Kann ich unter Berücksichtigung der Vorgeschichte gutheißen, was passiert ist? Wenigstens ein Stück weit? Und wenn ja: Bringt es mich dann noch aus der Fassung, was die Enthüllung mit der Erzählerin macht? Der Wahnsinn in den Zeilen ist kaum zu leugnen.

Aufbau/Stil

Der Roman besteht aus 27 Kapiteln.

Interessant ist, dass die Geschichte nicht am Anfang beginnt.

"Vergangene Nacht träumte ich, ich wäre wieder in Manderley."

Sie beginnt mit einem Traum, was das Mystische unterstreicht, das sich durch die Seiten zieht. Der Großteil wird rückblickend erzählt, wobei nicht klar ist, wie lange die Ereignisse zurückliegen. Ich war gespannt, was das Paar in die Situation gebracht hat, in der sie stecken.

Es gibt viele Stellen, die mich aufgeregt haben. Ich hätte gerne gesehen, dass sich Maxim anders verhält. Ich wollte die Erzählerin schütteln, mehrfach. Das ist okay, das ist gewollt. Einerseits spielt eine Rolle, wann dieses Buch geschrieben wurde. Andererseits sind die Figuren mit Absicht so dargestellt. Dennoch war das Lesen manchmal anstrengend.

Die Natur spielt eine wichtige Rolle in dem Buch, das Wetter, die angedeuteten Jahreszeitenwechsel. Auch die tiefroten Bäume oder die weißen Azaleen sprechen Bände. Vieles lässt sich interpretieren.

Insgesamt fand ich „Rebecca“ unterhaltsam. Der Barnet-Twist überraschte mich komplett. Manches war mir allerdings zu ausführlich und wiederholend, was der Tatsache geschuldet ist, dass die Erzählerin in Erinnerungen schwelgt. Diese sind so detailliert wie ihre Tagträume, das Ergebnis ihrer lebhaften Fantasie. Anderes, beispielsweise das Ende, sind sehr knapp gehalten. Einige Lücken muss man selbst füllen, wobei ich keine Probleme damit habe, das letzte Bild für mich zu deuten.

Zurück zum Anfang

Es schadet nicht, nach dem Ende die ersten zwei Kapitel noch einmal zu lesen. Ich habe es getan – und viele Vorausdeutungen gefunden. Ich war zufriedener als nach dem letzten Satz.

Das Thema Gefangenschaft ist für mich in dem Buch allgegenwärtig. Man könnte die (lebenden) Figuren als Gefangene bezeichnen – allesamt. Für die Erzählerin, die gerne zeichnet, gilt: Sie war gefangen in ihrer Unsicherheit, in ihrer gesellschaftlichen Rolle, in ihrer Eifersucht. In ihrem Kopf.

"Ich hatte in Gedanken falsche Bilder gepinselt und mich davor gesetzt."

Das hat sich geändert, wie der Beginn verrät. Aber:

Falls man zu denjenigen gehört, die sich ein abweichendes Ende wünschen, beispielsweise eines mit Gitterstäben, ist ein Zurückblättern ebenfalls empfehlenswert, denn ich denke: Man findet sie durchaus in einigen Umschreibungen. Sie bleiben alle gefangen, wenn auch auf andere Art und Weise.

Fazit

„Rebecca“ ist eine ruhig und detailliert erzählte, stimmungsvolle Geschichte über Liebe, Macht und Gefangenschaft, die mich größtenteils gefesselt hat.

Rebecca - Daphne du Maurier

Rebecca – Daphne du Maurier

Originaltitel: Rebecca (1938)

Übersetzung: Neu von Brigitte Heinrich, Christel Dormagen

Verlag: Suhrkamp, Insel

Erschienen: 07.03.2016

Seiten: 524

ISBN: 978-3-458-36134-3

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Deine Meinung

Eine Antwort

  1. Mir hat „Rebecca“ auch sehr gut gefallen. „Stimmungsvoll“ trifft es perfekt. Spannend finde ich, wie du die Natur einbringst. Das ist mir ehrlich gesagt nicht aufgefallen, macht jetzt aber Sinn.
    Liebe Grüße
    Marie

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